Das Anlegen wird zum Balanceakt für Mutige

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Die Notenbanken schaffen eine virtuelle Realität, die Risken verschleiert. Die Niedrigzinsen treiben die Anleger in Aktien. Aber gegen Rückfälle können sich nicht nur Wohlhabende wappnen, tröstet der Vermögensberater Feri.

Wien. Wie einfach war das Anlegen doch früher im Grund! Wer vorsichtig, aber nicht übervorsichtig war, investierte 80 Prozent seiner Ersparnisse sicher in Anleihen und reservierte sich ein „Spielkapital“ von 20 Prozent für Aktien. Damit durfte man realistisch auf eine Rendite von zwei Prozent über der Inflationsrate hoffen. Aber ach, so läuft es in Zeiten von Negativzinsen nicht mehr. Die Geldpolitik treibt auch Risikoscheue in den Aktienmarkt. Und die Notenbanken schaffen dort eine virtuelle Realität, meint Heinz-Werner Rapp. Der Chef von Feri arbeitet seit 20 Jahren bei dieser größten bankunabhängigen Vermögensberatung in Deutschland, die aus dem Family Office der BMW-Eignerfamilie Quandt entstanden ist und auch ein Büro in Wien hat. „Früher war es unsicher, wie weit Zentralbanken mitgehen, um Erwartungen zu erfüllen“, sagt der Anlageexperte. „Heute übererfüllen sie und geben Sicherheiten – bis ins nächste Jahr.“ Damit „konditionieren“ sie die Märkte, die „von der Realität abheben“. Geht es der Wirtschaft besser, treibt das die Kurse. Geht es ihr schlechter, treibt das die Kurse auch – weil die Notenbanken ihre Geldschleusen noch weiter öffnen. Gibt es an den Börsen dennoch einen Rückschlag, werden die Gründe – wie etwa schlechtere Fundamentaldaten – nicht mehr hinterfragt. „Stattdessen freuen sich die Investoren über eine günstige Kaufgelegenheit.“ Fragt sich nur: Wie lang geht das gut? Soll man sich mitziehen lassen, das Risiko vergessen?

Rapp zeigt sich vorsichtig optimistisch: „Die Firmen sind noch nicht dramatisch überbewertet wie Ende der Neunzigerjahre.“ Vor allem bei europäischen und japanischen Aktien sieht er noch Spielraum nach oben. Für gefährlich hält er hingegen US-Aktien, hier bestehe ein aufgestautes Rückschlagpotenzial von bis zu 20 Prozent. Darauf deuten schlechtere Unternehmensdaten und hohe Schuldenhebel. Bei hoch verzinslichen US-Anleihen steigen die Risikoaufschläge schon seit einem Jahr – ein Alarmsignal.

Finger weg für vorsichtige Anleger heißt es bei Feri auch für Papiere aus Schwellenländern. In China erprobe die „mutige Regierung“ mit ihrem Strategiewechsel „eine extrem gefährliche Operation am offenen Herzen“. Dazu komme der seit 2007 um bedrohliche 80 Prozent gestiegene Gesamtschuldenstand. Aber langfristig sei das Wachstumsversprechen Chinas intakt, die aktuelle Schwächephase ein „nötiges Ausatmen“. Noch dauert sie freilich an und eine rasche Erholung ist nicht abzusehen. Früher Licht am Ende des Tunnels sieht Rapp bei Rohstoffen und Minen. Zurzeit sei das zwar eine „Giftpille“. Aber einige Minenaktien seien schon so stark gefallen, dass der Boden bald erreicht sein dürfte.

Mischfonds für einfache Anleger

Anlegen ist also mehr denn je ein heikler Balanceakt, bei dem alles auf den richtigen Zeitpunkt ankommt. Wohlhabende brauchen sich nicht groß den Kopf zu zerbrechen: Sie verteilen ihr Geldvermögen auf drei Verwalter als Manager, um das Risiko zu streuen. Wer raffiniert ist, verrät Rapp, legt noch ein Overlay-Konzept darüber. Das heißt: Ein vierter sichert die Risken der Manager durch Futures ab. Damit übt er Kontrolle aus, ohne den Managern ins Handwerk zu pfuschen. Daneben haben Reiche natürlich mehr Möglichkeiten, in Sachwerte zu investieren: in größere Unternehmensanteile (Private Equity), Häuser, Wohnungen und Land.

Welche Optionen aber haben „Normalos“, die sich weder große Investitionen noch Gebühren von Vermögensberatern leisten können? Müssen sie sich unbedarft dem höheren Risikopotenzial von Aktien aussetzen? Nein, sagt Rapp. Er empfiehlt flexible Misch- und Strategiefonds, die nach einem Multi-Asset-Absolute-Return-Konzept funktionieren. Sie sollten eine Zielrendite und eine klare Risiko-Obergrenze haben. Über die Aufteilung entscheidet freilich der Manager, zu dem man Vertrauen haben muss. Nach dem Feri-Szenario würde sich zurzeit anbieten: 30 bis 50 Prozent Aktien, 20 Prozent Anleihen, aber nichts Hochverzinsliches und nichts aus Schwellenländern. Dazu 20 Prozent Cash, um bei guten Gelegenheiten rasch zuschlagen zu können. Der Rest sollte sich auf Rohstoffe, Gold und Währungen verteilen.

Aber auch in Sachwerte lässt sich mit einem kleineren Budget investieren. Nicht mehr offen stehen zwar offene Immobilienfonds. Da habe es den Markt in Deutschland vor einigen Jahren zerlegt, und heute „muss man schon ein Halbprofi sein, um da noch reinzukommen“. Sehr wohl empfiehlt Rapp aber Private-Equity-Zertifikate. Über Vehikel von Banken ist man dabei an Unternehmen beteiligt, muss aber nicht zehn Jahre lang Kapital einzahlen – es gibt also von Anfang an Rückflüsse. In Summe gelte: „Das Rennen ist auch für den Privatanleger noch nicht verloren. Er muss nur tiefer graben und genauer hingucken.“ [ iStockphoto ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2015)

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