Wie die Notenbanken die Börsen vor sich hertrieben

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Der Franken-Schock, die billionenschwere Geldschwemme der Europäischen Zentralbank und die Zinswende in den USA waren für einen Gutteil der Börsenbewegungen des laufenden Jahres verantwortlich. Die Zentralbanken dürften auch weiter das Börsengeschehen beeinflussen.

Wien. Die Notenbanken haben die Börsen vor sich hergetrieben wie schon lang nicht mehr. Am 15. Jänner hob die Schweizer Notenbank den Mindestkurs für den Euro von 1,20 Franken auf. Die Folge: Der Euro rutschte zum Franken binnen weniger Stunden um 30 Prozent ab, erholte sich dann aber ein wenig. (Seit Jahresbeginn gibt es immer noch ein Minus von elf Prozent.) Die Schweizer Börse rutschte an diesem Tag um neun Prozent ab und erlebte das stärkste Minus seit 25 Jahren – in Franken. Sie erholte sich ein wenig, doch liegt sie heuer noch immer im Minus.

Wenige Tage später, am 22. Jänner, kündigte die Europäische Zentralbank (EZB) an, von März 2015 bis September 2016 monatlich Anleihen um 60 Mrd. Euro kaufen zu wollen und in Summe den Markt mit 1,14 Billionen Euro zu fluten. Der Euro rutschte zu vielen Währungen ab, der DAX erlebte im ersten Quartal einen Höhenflug. Die US-Notenbank Fed schlug den gegenteiligen Weg ein: Sie hob vergangenen Mittwoch erstmals nach fast zehn Jahren die Zinsen an, und zwar von einer Bandbreite zwischen null und 0,25 Prozent auf eine zwischen 0,25 und 0,5 Prozent. Die Märkte hatten lang auf die Zinswende warten müssen.

1 Warum tangiert es die Börsen, wenn Zinsen steigen oder fallen?

Steigende Zinsen führen dazu, dass es bessere Anlagealternativen zu Aktien gibt. So können Anleger dann auch Anleihen mit passablen Renditen kaufen. Das lässt die Nachfrage nach Aktien und damit die Kurse sinken – sofern alle anderen Umstände gleich sind.

2 Warum reagierten die Börsen auf die Zinswende in den USA positiv?

Erstens signalisierte die Fed, dass sie die Wirtschaft nicht mehr im Krisenmodus sieht, sondern in der Normalität. Das gefiel den Anlegern. Die Zinserhöhung sollte auch tendenziell dazu führen, dass der Dollar weiter auf- und der Euro abwertet. Das hilft europäischen Exportfirmen und ihren Aktien.

3 Warum rutschten die Schweizer Aktien ab, als der Franken aufgewertet wurde?

Aus zwei Gründen: Erstens haben sich die Exportaussichten für Schweizer Firmen dadurch verschlechtert, zweitens sahen Schweizer Aktien für internationale Investoren in deren eigener Währung plötzlich sehr teuer aus.

4 Warum stiegen die Schweizer Aktien auf österreichischen Depots, als der Franken aufwertete?

Da der Euro stärker nachgab als die Schweizer Börse, konnten sich heimische Anleger, die Schweizer Aktien auf ihren Depots haben, über Kursgewinne (in Euro) freuen.

5 Warum steigen europäische Aktien, wenn die Europäische Zentralbank Anleihen kauft?

Weil Anleihen durch die künstlich erzeugte Nachfrage teurer werden, also weniger Rendite abwerfen. Das lässt Investoren auf Aktien ausweichen, die noch deutlich besser rentieren als Anleihen. So ist die Dividendenrendite (Dividende gemessen am Kurs) bei großen, etablierten Firmen meist viel höher als die Staatsanleihenrenditen.

6 Was will die EZB mit den Anleihekäufen überhaupt bezwecken?

Sie pumpt Geld in die Märkte, das in dem Moment entsteht, in dem die EZB die Anleihen kauft. Sie „druckt Geld“. So will sie Inflation und in weiterer Folge Wirtschaftswachstum erzeugen. Die Inflation hat vorerst die Vermögenspreise erreicht: Anleihen, Aktien, aber auch Immobilien haben sich verteuert.

7 Wie geht es nun im kommenden Jahr weiter?

Trotz der Zinswende in den USA bleibt die Geldpolitik der Notenbanken expansiv. Vor allem die EZB und die Bank of Japan werden die Märkte weiter mit Geld fluten. Das stützt die Aktienmärkte grundsätzlich – doch ist diese Erwartung teilweise eingepreist. (b. l.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2015)

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