US-Börsen erklimmen neue Allzeithochs

US-MARKETS-RISE-AFTER-DAYS-OF-VOLATILITY-AFTER-BREXIT-VOTE
US-MARKETS-RISE-AFTER-DAYS-OF-VOLATILITY-AFTER-BREXIT-VOTE(c) APA/AFP/GETTY IMAGES/SPENCER PLA
  • Drucken

Brexit und Konjunktursorgen zum Trotz haben der Dow Jones und der S&P 500 vergangene Woche neue Rekordstände erreicht. Doch sind US-Aktien teuer. Und es gibt auch Risken.

Wien. Der mit Abstand größte Aktienmarkt der Welt hat in den vergangenen Jahren seinen Vorsprung noch ausgebaut: 58,7 Prozent der Ländergewichtung im Weltaktienindex MSCI World entfallen auf US-Aktien, im Jahr 2009 waren es erst 48,2 Prozent. Und während sich damals unter den zehn Firmen mit der größten Marktkapitalisierung im MSCI noch zwei britische und ein Schweizer Konzern fanden, gehen die ersten zehn Positionen nun an die USA. Daran ist vor allem der Siegeszug von Firmen wie Apple, Facebook, Microsoft und Amazon schuld, wie die Experten von Fidelity feststellen. „Diese Dynamik im Technologiesektor dürfte weiter zunehmen“, meinte Nick Peters, Multi-Asset-Manager bei Fidelity, in einem Marktkommentar.

Wie zur Bestätigung markierten der Dow Jones (er umfasst 30 Unternehmen) und der S&P 500 (500 Werte) in der Vorwoche neue Allzeithochs. Eine Vorgabe, von der Anleger in Europa und den meisten Schwellenländern nur träumen können. Der Eurostoxx 50 liegt um 45 Prozent unter seinem Allzeithoch aus dem Jahr 2000. Der Wiener ATX ist seit seinem Rekordhoch 2007 gar um mehr als die Hälfte gefallen.

Die Ursachen für den Unterschied liegen weniger in den USA als in den anderen Regionen: Europas Banken kiefeln noch an den Folgen der Finanzkrise, Schwellenländern wie Brasilien oder Russland hat der Preisverfall bei Rohstoffen zu schaffen gemacht.

Kein Höhenflug vor Rekord

Auch an der Wall Street hat es zuletzt keine Höhenflüge gegeben. Marktbeobachter beklagen seit Langem eine „Seitwärtsentwicklung“ in den USA. Seit einem Jahr sind der Dow Jones und der S&P 500 je um magere zwei Prozent gestiegen. Dazwischen ging es äußerst holprig zu: Zweimal rasselten die Indizes mehr als zehn Prozent in die Tiefe, zweimal haben sie sich wieder erholt – bis beide Börsenbarometer vergangene Woche neue Allzeithochs erklommen.

Dabei profitierten auch die US-Märkte von der Erholung der Rohstoffpreise: Stärkster Dow-Jones-Gewinner seit Jahresbeginn ist der Ölkonzern Exxon Mobil (plus 22 Prozent), im S&P konnte der Goldproduzent Newmont Mining mit 127 Prozent am deutlichsten anziehen. Doch finden sich Gewinner in allen Branchen: Um mehr als ein Fünftel haben sich seit Anfang Jänner im Dow Jones auch der Telekomkonzern Verizon, der Versicherer United Health und der Einzelhändler Wal-Mart verteuert.

Kein einziger der 30 Dow-Jones-Werte hat auf Zehnjahressicht verloren. Mit einem Investment in Apple hätte man sein Vermögen verdreizehnfachen können – wenngleich die Aktie seit einem Jahr ein wenig schwächelt. Unter den S&P-500-Werten gibt es noch größere Highflyer. Der Kurs des Online-Reiseportalanbieters Priceline hat sich seit 2006 – damals lag er allerdings auf dem Boden – verfünfzigfacht, die Aktien des Pharmaunternehmens Regeneron, des Online-Videodienstes Netflix, des Online-Versandhändlers Amazon und des Kreditkartenanbieters Mastercard haben sich seitdem zumindest verzwanzigfacht.

Zwar drohen auch den US-Märkten Gefahren: So hat die US-Notenbank Fed als Erste einen Zinserhöhungszyklus eingeleitet, während die Europäische Zentralbank, die Bank of Japan und die Bank of England eine lockere Geldpolitik fahren. Eine solche Maßnahme birgt grundsätzlich die Gefahr, dass der Dollar stark steigt und die Preise von Aktien leiden. Zuletzt – auch angesichts des Brexit – mehrten sich jedoch die Anzeichen, dass die Fed bei weiteren Zinserhöhungen äußerst vorsichtig vorgehen wird.

Risiko Wahlkampf?

Auch der US-Präsidentschaftswahlkampf, der demnächst in seine heiße Phase geht, könnte noch für Unsicherheiten sorgen. Langfristig orientierte Anleger sollten sich aber von politischen Ereignissen wie Wahlen nicht beeinflussen lassen, meint Fidelity-Experte Peters. „Es mag zu kurzfristigen Kursschwankungen durch erhöhte politische Nervosität vor den Wahlen kommen, zum Beispiel bei Gesundheitsaktien.“ Auf lange Sicht seien die Aussichten für den US-Aktienmarkt aber positiv, vor allem für den Technologiesektor.

Bleibt die Tatsache, dass US-Aktien – im historischen Vergleich sowie in Relation zu anderen Regionen – teuer sind. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis ist im S&P mit 2,8 doppelt so hoch wie in Europa. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt mit 18 auf Basis der geschätzten Gewinne des laufenden Jahres deutlich über dem Wert der Eurozone (14).

Zu Recht, wie viele meinen: Die Experten der Capital Group bezeichnen die USA als „Schrittmacher der Weltwirtschaft“: Der hohe Beschäftigungs- und Lohnanstieg stütze den Konsum. Weil aber viele Unternehmen nicht mehr günstig sind, müsse man wählerisch sein.

„Der US-Aktienmarkt ist am oberen Ende der Bewertungs-Range“, räumt Robert Karas, Leiter des Asset-Managements bei der Schoellerbank, ein. Deswegen von US-Aktien die Finger zu lassen, rät er nicht. Auch in Europa seien etwa Konsumgüteraktien teuer. Billig wären hingegen europäische Banken. „Ich würde keine Banken kaufen, nur weil sie billig sind.“ Denn das Risiko sei unberechenbar. Die Schoellerbank hat nur eine Bankaktie auf ihrer Empfehlungsliste: Wells Fargo – mit Sitz in San Francisco.

Krisenfest bei hohen Zinsen

Ob die hohen Bewertungen der US-Aktien gerechtfertigt sind oder nicht, hänge auch davon ab, ob die Zinsen niedrig bleiben. Sollten sie das nicht tun, wären viele Papiere teuer. Sicherheitshalber sollte man Aktien von Unternehmen mit einem guten Geschäftsmodell kaufen, das auch bei steigenden Zinsen funktioniere. Für fair bewertet hält Karas unter den US-Aktien etwa Berkshire Hathaway (die Holding des Starinvestors Warren Buffett), Microsoft oder Walt Disney.

(C) DiePresse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.