Aktien: Wertorientierte Strategie

Die Reederei Møller-Mærsk halten Experten für attraktiv.
Die Reederei Møller-Mærsk halten Experten für attraktiv.(c) REUTERS
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Im vergangenen Jahr hat es sich für Anleger bezahlt gemacht, in gute und zugleich günstige Aktien zu investieren. Vor allem in Europa gibt es noch Schnäppchen.

Wien. „Ob wir über Socken oder Aktien reden, ich kaufe Qualitätsware, wenn sie günstig ist“, sagte US-Investmentguru Warren Buffett einst. Dass der Multimilliardär mit dieser Strategie, die als Fundament des wertorientierten Anlegens (Englisch: Value Investing) gilt, nicht allzu schlecht gefahren ist, zeigt ein Blick auf sein Privatvermögen sowie den Aktienkurs seiner Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway. War das Papier Anfang 1990 für noch rund 8175 Dollar zu haben, müssen Anleger dafür derzeit 245.850 Dollar auf den Tisch legen.

Die Strategie des wertorientierten Anlegens geht auf den US-Wirtschaftswissenschaftler und Investor Ben Graham zurück, dessen Vorlesungen an der Columbia Business School der junge Buffett einst besuchte. Dabei geht es, stark vereinfacht, darum, auf Basis einer fundierten Analyse Einzelunternehmen zu finden, deren Wert vom Markt falsch eingeschätzt wird bzw. die nicht in Mode sind und daher nicht im Fokus von Anlegern und Analysten stehen.

Im Gegensatz dazu geht es beim wachstumsorientierten Investieren (Englisch: Growth Investing) darum, Wachstumsbranchen zu identifizieren und innerhalb dieser einzelne Aktien mit der größten Wachstumsdynamik.
„Aus der Differenz von Preis und Wert entstehen große Chancen für Anleger“, sagt Herbert Perus von der Raiffeisen Kapitalgesellschaft. Für den Experten ist wertorientiertes Investieren nicht nur ein Stil, sondern fast schon eine Weltanschauung.

Im Vorjahr sei unter der breiten Anlegerschaft erstmals die Erkenntnis eingekehrt, dass es besser sei, in billige als in teure Aktien zu investieren. „Andere Strategien wie Momentum, Qualität oder Risikoaversion haben sich dagegen sehr schlecht entwickelt“, so Perus. Den Paradigmenwechsel habe die Zinswende eingeleitet. Nachsatz: „Vorher standen das Vermeiden von Volatilität oder Prestigeaktien im Fokus, jetzt ist Stock Picking angesagt.“

Perus und sein Team versuchen mit verschiedenen Modellen, den Wert eines Unternehmens einzuschätzen – unter anderem, was es beispielsweise kostet, das Unternehmen auf der grünen Wiese aufzubauen oder Stück für Stück zu verkaufen. Dazu gehöre auch, mit dem Topmanagement zu sprechen und zu versuchen, die Produkte des jeweiligen Unternehmens genau zu verstehen.

Überschaubare Risken

Ähnlich geht auch Katrina Dudley von Franklin Templeton Investments vor. Sie macht derzeit vor allem in Europa eine Vielzahl von Schnäppchen aus – „und zwar auf Basis mehrerer Bewertungsparameter“. „Das Investorensentiment gegenüber Europa befindet sich auf einem historischen Tief.“ Die Expertin verweist etwa auf die signifikante Unterperformance der europäischen gegenüber den amerikanischen Märkten in den vergangenen Jahren. Ende 2016 habe etwa die Performance-Lücke zwischen S&P 500 und Stoxx Europe 600 rund 62 Prozent betragen.

Aber auch die mögliche Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds sowie der Unternehmensgewinne würden für Europa sprechen. Letztere hätten sich zuletzt dem Niveau von vor der Finanzkrise angenähert. Die Risken, die mit dem bevorstehenden Brexit sowie den für 2017 in Europa angesetzten Wahlen zusammenhängen, hält Dudley im Übrigen für bewältigbar.

Auch Perus bricht eine Lanze für europäische Aktien. „Europa ist derzeit die Region, in der die Musik wirklich spielt“, sagt er. Nach wie vor würden die wichtigsten Unternehmen, die den Weltmarkt mit hochqualitativen Produkten versorgen, vorwiegend vom alten Kontinent kommen. Dass Europa als Gesamtregion für Investoren seit Längerem uninteressant ist, sieht auch er positiv: „Wir können uns die Perlen raussuchen.“

Eine Aktie, die Dudley gefällt und die derzeit neu bewertet wird, ist Royal Philips. „Das Unternehmen hat einen Teil der Leuchtendivision verkauft und entwickelt sich dadurch zu einer reinen Gesundheitsfirma“, so die Expertin. Durch diese strategische Neuausrichtung sollten sich die Margen gegenüber der Konkurrenz verbessern. Auf der Rechnung hat Dudley auch Møller-Maersk, das sich derzeit ebenfalls neu aufstellt und das Geschäft auf die zwei unabhängigen Divisionen Transport und Logistik sowie Energie aufteilt. Das sollte helfen, Synergien zu heben und gleichzeitig neue Produkte und Dienstleistungen in beiden Divisionen zu entwickeln.

Auch bei der Raiffeisen Kapitalgesellschaft hält man einiges auf Møller-Maersk, was allein schon die Tatsache unterstreicht, dass das dänische Unternehmen aktuell die größte Position in den Fonds der Abteilung „Aktien, Entwickelte Märkte“ ist. Gut gefällt Perus auch Ericsson. Der schwedische Weltmarktführer im Bereich Telekommunikationsnetzwerke sei spottbillig – koste an der Börse um die 50, sei aber aus Sicht der Raiffeisen-Experten rund 90 Schwedische Kronen wert. Interessant sei auch die Aktie von Hugo Boss, ebenso wie Wienerberger und Eni.

>>>Clever investiert: Das wurde 2016 aus 1000 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2017)

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