Staatsanleihen: „Zins-Tiefstände bereits hinter uns“

Thomas Steinberger
Thomas SteinbergerDie Presse
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Interview. Für zehnjährige deutsche Staatsanleihen könnte man bald über zwei Prozent Rendite bekommen, sagt Investmentstratege Thomas Steinberger.

Die Presse: Die Zinsen bei Staatsanleihen sicherer Länder sind in den vergangenen Wochen von einem tiefen Niveau aus stark angestiegen. Sehen wir gerade eine Zinswende?

Thomas Steinberger: Ich denke tatsächlich, dass wir die Tiefstände bei den Zinsen hinter uns haben. Es war jetzt eine lange Phase, in der die Nationalbanken massive geldpolitische Maßnahmen ergriffen haben, um die Wirtschaft nach der Finanzkrise 2008 anzukurbeln. Die US-Notenbank Fed hat nun deutlich angekündigt, dass sie jetzt den Fuß vom Gaspedal nehmen wird, Ähnliches wird auch mit Verzögerung in Europa stattfinden.

Das heißt, die Wirtschaft ist mittlerweile so robust, dass sie von den Nationalbanken nicht weiter in diesem Ausmaß mit Geld geflutet werden muss?

Ja. Die Wachstumsraten in den USA sind höher, der Arbeitsmarkt hat sich bereits relativ weit erholt. Klar ist, wenn die US-Notenbank einmal vorprescht, dann hat das einen Effekt für alle anderen Marktzinsen. In Europa hat sich die Staatsschuldenkrise negativ ausgewirkt, daher war der Heilungsprozess für die Wirtschaft langsamer. Wenn aber die Konjunktur, wie erwartet wird, im zweiten Halbjahr 2013 anzieht und sich die Erholung im kommenden Jahr fortsetzt, wird auch die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik wieder restriktiver gestalten.

Werden die Zinsen für langlaufende Staatsanleihen auch in den nächsten Monaten weiterhin so steil ansteigen wie zuletzt?

Die Zinsentwicklung der vergangenen Wochen war sicher eine heftige Reaktion, das wird sich in dieser Vehemenz nicht im zweiten Halbjahr fortsetzen. Bis Jahresende kann es für zehnjährige deutsche Bundesanleihen aber durchaus zwischen zwei und 2,5 Prozent Rendite geben. Im zwei- bzw. dreijährigen Trend sind Zinssätze von drei bis 3,5 Prozent für langlaufende, sichere Staatsanleihen nicht auszuschließen. Vor allem, wenn die Konjunktur in den nächsten eineinhalb Jahren tatsächlich anziehen sollte.

Warum sollte ein Anleger derzeit eine zehnjährige deutsche oder österreichische Staatsanleihe kaufen? Mit den laufenden Zinsen kann man die Inflation nicht abdecken. Und große Kursgewinne sind in nächster Zeit auch nicht wahrscheinlich.

Interessant sind solche Anleihen zum Beispiel für Versicherungen oder Pensionsfonds. Die haben Verpflichtungen, die in zehn, 20 oder 30 Jahren fällig sind. Für diese Firmen sind zehn-, 20- oder 30 jährige Anleihen ein risikoloses Asset. Es gibt daher fast immer Investoren, die solche Anleihen nachfragen.

Aber aus Sicht eines „kleinen“ Privatanlegers: Warum sollten sichere Staatsanleihen interessant sein?

Ich würde diese Assetklasse nicht schlechtreden. Klar, diese Anleihen bringen keine riesengroßen Renditen, aber sie werfen während der Laufzeit ein sicheres Einkommen ab. Habe ich einen langen Anlagehorizont, kann ich durch solche Anleihen mein Vermögensrisiko reduzieren und etwas mehr Rendite bekommen als mit einer Geldmarktveranlagung. Wenn ich mehr Risiko nehmen möchte, dann gibt es natürlich auch andere Länder in Europa, deren Anleihen noch höhere Renditen abwerfen. Etwa Italien oder Spanien.

Was müsste passieren, damit sichere Staatsanleihen demnächst starke Kurssprünge nach oben hinlegen?

Das könnte eintreten, wenn der erwartete Konjunkturaufschwung nicht eintrifft. Dann würden die Notenbanken ihre Geldpolitik noch expansiver gestalten, die Zinsen der Staatsanleihen würden wieder sinken (und im Gegenzug die Kurse steigen, Anm.). Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Inflationsraten zurückgehen. Das würde bei den Notenbankern die Angst vor einer Deflation auslösen. Ein drittes Risiko ist wahrscheinlich China, das derzeit einen Umbruch erlebt. Wenn es dort einen Wachstumseinbruch gibt, wäre die Realwirtschaft auch in Europa betroffen. Dann würden die Investoren wieder verstärkt in sichere Anleihen investieren und die Kurse in die Höhe treiben.

Die Schuldenproblematik der Euroländer haben Sie nicht angesprochen.

Das könnte auch wieder aufbrechen, derzeit gibt es aber keine starken Signale dafür.

Auf welche Staatsanleihen setzen Sie heute?

Der Fokus von unserem Modell liegt auf großen Kreditaufschlägen(Zinsunterschied der Staatsanleihe eines bestimmten Landes im Vergleich zu einer deutschen Bundesanleihe, Anm.). Wir sind aktuell stark investiert in französischen und italienischen Staatsanleihen, da ist die Chance auf hohe Erträge (Zinsen plus eventuelle Kursgewinne) am größten. Dagegen sind wir nur in geringem Ausmaß in deutschen und österreichischen Papieren investiert. Griechenland haben wir völlig ausgeschlossen.

Die kürzlich getätigten Aussagen von US-Notenbankchef Ben Bernanke haben die Aktienanleger geschockt. Werden die Aktienmärkte auf Korrekturmodus umstellen?

Die Rückgänge zuletzt waren nur ein kurzes Feuer. Der Grund, dass Bernanke die Geldpolitik restriktiver gestalten will, ist ja ein positiver. Nämlich, dass sich die Wirtschaft gut entwickelt. Das sollte den Aktienmärkten eigentlich positive Impulse geben.

Auf einen Blick

Thomas Steinberger ist Geschäftsführer der Spängler IQAM Invest Asset Management. Die Firma entwickelt wissenschaftlich fundierte quantitative Anlagestrategien. Ein neues Modell von Spängler IQAM Invest prognostiziert die künftige Performance von Staatsanleihen über Kreditausfallsversicherungen europäischer Staaten. Dieses Modell wird rein quantitativ gesteuert, „Bauchentscheidungen“ spielen keine Rolle. [Spängler]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2013)

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