Staatsanleihen: "Wir sehen Gefahr im Verzug"

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Interview. Die Notenbanken heizen mit niedrigen Zinsen die Kurse von sicheren Staatsanleihen an. Hier drohe am ehesten die Gefahr einer Blase, warnt der Finanzwissenschaftler Josef Zechner.

Die Presse: Die Aktienkrise im Jahr 2001, die Finanzkrise im Jahr 2008 und jetzt die Staatsschuldenkrise: Warum sollten sich konservative Anleger nach den vielen Krisen wieder auf den hochriskanten Kapitalmarkt trauen?

Josef Zechner: Weil man mit risikolosen Anlagen derzeit Vermögensverluste erleidet.

Sie wollen lieber zwei Prozent Verlust durch Inflation als 20 Prozent Verlust durch eine Krise.

Ja. Und das kann man den Anlegern auch nicht übel nehmen. Aber gerade jetzt ist es sinnvoll, bei der Geldanlage auf mehr Risiko zu setzen. Allerdings unter einer Voraussetzung: dass man akzeptiert, dass Risikomanagement genauso wichtig ist wie Assetmanagement.

Wie schaut gutes Risikomanagement für Anleger aus?

Wir bei Spängler IQAM Invest haben spezielle, wissenschaftlich fundierte Strategien zur Risikobegrenzung, die einerseits auf historischen Daten und andererseits auf Prognosen beruhen. Aber als Anleger muss man zunächst einmal die Bewertungsniveaus beachten. Im Aktienbereich sind das etwa klassische Kriterien wie das Verhältnis Kurswert zu Buchwert oder Kurswert zu Dividendenertrag. Das klingt eigentlich selbstverständlich, ist aber im vergangenen Jahrzehnt sehr oft missachtet worden. Darum waren die Aktienmärkte oft irrational überbewertet. Ich denke nur an die Internetaktien um die Jahrtausendwende.

Seit es Aktienmärkte gibt, gibt es Übertreibungen. Im Nachhinein sagt man: Es war klar, dass es sich um eine Blase handelte. Aber zeitgleich wird die nächste aufgepumpt. Warum passiert das immer wieder?

Weil die Leute immer glauben: Dieses Mal ist es anders! Dieses Mal sind die Bewertungsniveaus gerechtfertigt, weil die Welt effizienter und schlauer geworden ist! Aber: Die Bäume werden nie in den Himmel wachsen. Die Zeiten sind nie so „anders“, daher vertrauen wir auf langfristige historische Daten. Und daher meiden wir historisch hoch bewertete Aktien oder andere Anlageklassen. Auch das ist eine Form des Risikomanagements.

Geht es bei Anlageinvestitionen nicht eher darum, die Stimmung auf den Märkten abzufangen, als um rationale Bewertungen?

Kein Zweifel, die Marktstimmung ist ein mitbestimmender Aspekt. Wir haben einen eigenen Stimmungsindex für Europa und die USA entwickelt (den Spängler-IQAM-Sentiment-Index, Anm.). Dabei verdichten wir verschiedene Stimmungsindikatoren (z.B. Einkaufsmanagerindex) und rein quantitative Kriterien (z.B. Handelsvolumina, Volatilitäten) zu einem Wert. Somit versuchen wir einzufangen, ob Märkte gerade übertreiben.

Und? Tun sie das?

In den USA läuten bei uns schon erste Alarmglocken, da setzen wir derzeit eher auf robuste, weniger zyklische Aktien. Bei europäischen Aktieninvestments sehen wir dagegen Potenzial, weil Europa Nachholbedarf hat.

Und wo übertreiben die Märkte derzeit?

Am ehesten bei lang laufenden Staatsanleihen. Dort sind die Bewertungsniveaus sehr hoch. Wir sehen Gefahr im Verzug.

Im Moment wird die Rallye bei Staatsanleihen aber weiter angeheizt – die Europäische Zentralbank hat den Leitzinssatz kürzlich gesenkt.

Man hat aber auch im Sommer deutlich gesehen: Die aktuellen Bewertungen bei sicheren, lang laufenden Staatsanleihen wie deutschen Bundesanleihen sind nur haltbar, weil die US-Notenbank und die EZB extrem viel Geld in die Märkte pumpen. Vor wenigen Monaten hat die Federal Reserve nur laut nachgedacht, diese lockere Geldpolitik irgendwann einmal wieder ein bisschen zurückzunehmen. Die direkte Folge: An den Märkten gab es Aufruhr, die Anleihenpreise gingen deutlich zurück. Das ist ein Zeichen, dass wir derzeit keine natürlichen Gleichgewichtspreise sehen. Und deswegen sind wir auf der konservativen Seite – mit dem Nachteil, dass wir nicht jeden Boom voll mitnehmen.

Welche Anleihen sind für Sie derzeit interessant?

Wir haben ein Modell entwickelt, mit dem wir die künftige Performance von Staatsanleihen über Kreditausfallversicherungen prognostizieren. Derzeit sind wir stark in spanische und portugiesische Staatsanleihen investiert.

Sehr mutig.

Bauchentscheidungen spielen da aber keine Rolle, sondern nur quantitative Daten und wissenschaftlich fundierte Modelle. Dank dieses Konzepts haben wir in den vergangenen Jahren übrigens mit deutschen Bundesanleihen sehr gut verdient.

ZUR PERSON

Josef Zechner ist Mitglied der wissenschaftlichen Leitung der Spängler IQAM Invest. Die Firma entwickelt wissenschaftlich fundierte Anlagestrategien.

Zechner ist zudem Finanzprofessor an der WU Wien und Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Er publiziert regelmäßig in den wichtigsten internationalen Wirtschafts- und Finanzjournalen. [ Spängler ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Home

Europäische Zentralbank könnte Zinsen nochmals senken

"Wenn nötig" könne man die Zinsen weiter senken, sagte EZB-Direktor Benoit Coeure. Auch sein Chef Mario Draghi sieht noch Möglichkeiten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.