Ein Paradies für die Anleiheanleger

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Analyse. Die Republik Österreich kann derzeit Schulden aufnehmen und fast nichts dafür bezahlen. Die Inhaber von österreichischen Staatsanleihen profitieren seit Jahresbeginn von hohen Kursgewinnen. Geht diese Kursrally noch weiter?

Wien. Die Lage auf dem Anleihemarkt mutet fast schon ein wenig verrückt an. Der Finanzminister hierzulande profitiert davon, ohne großen Aufwand betrieben zu haben: Sichere Euroländer wie Österreich können sich derzeit Geld zum Nulltarif leihen. Nicht, weil sich die Kreditwürdigkeit des Landes zuletzt stark verbessert hätte. Sondern weil das Zinsniveau derzeit so extrem niedrig ist und die Investoren alles kaufen, das mehr einbringt als risikolose Sparzinsen.

So konnte es passieren, dass die Republik kürzlich eine Bundesanleihe mit einem Kupon von 1,95 Prozent und einer Restlaufzeit bis 2019 ganz einfach um über 600 Mio. Euro aufstockte – und zwar mit einer durchschnittlichen Rendite von 0,37 Prozent. Also praktisch um fast nichts. Zum Vergleich: Als die Republik die Anleihe im Juni 2012 zum ersten Mal ausgegeben hatte, lag die Rendite noch bei knapp über zwei Prozent.

In Deutschland, das als sicherster Hafen in der Eurozone gilt, ist die Situation noch besser: Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen ist Ende Juli auf ein Rekordtief von 1,11 Prozent gefallen. Solche Tiefstände für deutsche Staatsanleihen erlebt man normalerweise nur in höchst turbulenten Zeiten. Als die deutschen Renditen das letzte Mal einen ähnlich tiefen Wert verzeichnet hatten (1,13 Prozent), befand sich die Schuldenkrise im Euroraum auf ihrem Höhepunkt. Nun ist nicht die Schuldenkrise das große Thema, sondern die Europäische Zentralbank (EZB). Deren Verantwortliche wollen mit aller Kraft eine Deflation im Euroraum verhindern und drücken die Zinsen nach unten, um wirtschaftliches Wachstum anzufachen und die Inflationsraten zu heben.

Anleihekurse steigen

Somit schafft die EZB paradiesische Zustände für die Kernstaaten innerhalb der Eurozone. Österreich kann Schulden aufnehmen und muss kaum etwas dafür bezahlen. Die hierzulande relativ hohe Inflation (im europäischen Vergleich) hilft zudem beim Schuldenabtragen. Und die Anleger, die seit Längerem österreichische (oder auch deutsche, niederländische) Staatsanleihen halten, können sich auch die Hände reiben. Bei gleichbleibendem Zins sinkt die Rendite, im Gegenzug steigt der Anleihekurs an. Die Anleger könnten die Anleihe also frühzeitig (vor Ablauf der Laufzeit) verkaufen und damit Kursgewinne realisieren. Im Falle von österreichischen Staatsanleihen würden die Gewinne ganz ordentlich ausfallen.

Ein Beispiel: Ein Anleger hat zu Jahresbeginn jene Staatsanleihe gekauft, deren Laufzeit bis 2022 geht und die einen jährlichen Kupon von 3,65 Prozent abwirft (ISIN: AT0000A0N9A0). In der Zwischenzeit ist die Rendite für diese Anleihe auf 0,8 Prozent p.a. gefallen– ein extrem niedriger Wert, der im Gegenzug den Anleihekurs in die Höhe wachsen ließ. Seit Jänner ist der Kurs von 112,5 Prozent des Nennwertes auf rund 121 Prozent gestiegen. Der Anstieg macht über sieben Prozent aus, ein ordentlicher Gewinn in einer Zeitspanne von lediglich acht Monaten. Mit deutschen Bundesanleihen haben die Investoren bisher auch ein gutes Geschäft gemacht. Laut den Bloomberg-Bond-Indizes erzielten sie mit deutschen Staatsbonds einen Ertrag von rund 5,5 Prozent in diesem Jahr.

Bleibt die große Frage: Ist die Luft bei diesen sicheren Staatsanleihen schon draußen? Sollten die Anleiheinhaber diese Papiere schon bald abstoßen, um die Kursgewinne rechtzeitig einzustreifen? Das hängt stark von der EZB ab. Deren Geldpolitik ist unberechenbar geworden. Sollten die europäischen Notenbanker etwa den Euro-Leitzins bald wieder erhöhen, würden die Kurse von sicheren Staatsanleihen wieder nach unten gehen. Deswegen, weil die Investoren dann tendenziell höher verzinste Anlagen suchen und aus den niedrig verzinsten Staatsanleihen flüchten. Derzeit ist die „Gefahr“ einer Zinserhöhung aber nicht allzu groß. Die EZB schnürte erst im Juni ein Paket gegen die niedrige Inflation, drückte den Leitzins auf ein Rekordtief von 0,15 Prozent und verdonnerte Banken zu einem Strafzins, wenn sie Geld über Nacht bei ihr horten.

Risiko Bankenstresstest

Fazit: Die Renditen könnten in nächster Zeit noch weiter nach unten gehen und die Anleihekurse in die Höhe treiben, da Deflation weiterhin ein Risiko bleibt. Eine größere Gefahr für die Anleiheanleger könnte bald aber doch von Seiten der EZB kommen. Aber nicht in Form von Zinserhöhungen, sondern wegen des bevorstehenden Stresstests für Banken. Die teilverstaatlichten Österreichischen Volksbanken sind zweifelsohne ein großes Sorgenkind der Republik. Negative Resultate könnten bei den Investoren Skepsis hervorrufen bezüglich der Bonität der Republik und den Kursen der heimischen Staatsanleihen einen heftigen Schlag versetzen. (ker)

AUF EINEN BLICK

Staatsanleihen. Allen Unkenrufen zum Trotz sind die Kurse der ohnehin teuren sicheren Staatsanleihen– zu diesen zählen etwa jene von Deutschland oder Österreich– heuer weiter angestiegen. Grund sind die extrem niedrigen Marktzinsen. Diese dürften in Europa noch eine Weile niedrig bleiben. Doch könnte es auf die Kurse der Staatsanleihen drücken, wenn die heimischen Banken beim Stresstest schlecht abschneiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2014)


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