Norwegen setzt auf Nigeria

(c) Clemens Fabry
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Der Anlagenotstand treibt Investoren in immer riskantere Investments, die vor einigen Monaten in dieser Form noch undenkbar gewesen wären.

Wien. Das negative Renditeumfeld auf dem Markt für europäische Anleihen lässt Investoren zunehmend höhere Risken eingehen.

Das sieht man beispielsweise am norwegischen Staatsfonds, der kürzlich Nigeria in sein 870 Mrd. Dollar schweres Portfolio aufgenommen hat. Der Fonds fügte außerdem Entwicklungsländer wie Ghana und Mauritius hinzu. Der Anteil von Unternehmensanleihen mit einem niedrigeren Rating erreichte zudem den höchsten Wert seit mindestens 2006. Lediglich 0,1 Prozent des Fonds sind in Unternehmensanleihen mit einem Spitzenrating investiert.

Auch Europas größter Versicherungskonzern, die Allianz, ist in jüngster Zeit mehr Risken eingegangen. Die Gesellschaft bevorzugt demnach Gewerbeimmobilienkredite, Infrastrukturpapiere und Schwellenländer, wie Andreas Gruber, Chief Investment Officer bei der Vermögensverwaltungssparte der Allianz, erklärt. „Bei Käufen zu Negativrenditen hat man langfristig nur Abwärts-, aber niemals Aufwärtspotenzial.“ Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), auf dem Staatsanleihenmarkt zu intervenieren, hat die Renditen bei einem Drittel der Staatsanleihen in der Eurozone unter null gedrückt. Das bedeutet, dass die Papiere ihren Käufern, wenn sie bis zur Fälligkeit gehalten werden, garantierte Verluste einbringen. Investoren setzten jedoch darauf, dass die Papiere bis dahin an Wert gewinnen, damit sie vor Fälligkeit mit Gewinn verkauft werden können.

„Unangenehme Trendwende“

Die niedrigen Renditen führen jedoch auch dazu, dass Investoren Wagnisse bei Vermögenswerten und in Regionen eingehen, die sie vor ein paar Monaten noch gemieden hätten. Damit sind aber auch ihre Kunden höheren Risken ausgesetzt. „Wir bewegen uns in unbekanntem Terrain, was zu Unsicherheit und Fehlern führen wird“, sagt Erik Weisman, Fondsmanager bei MFS Investment Management. Er kauft Bonds mit längeren Laufzeiten und erhöht den Anteil von bonitätsstarken Staatspapieren in Australien und Neuseeland, die die höchsten Renditen in den Industrieländern haben.

Die unersättliche Nachfrage nach höher rentierlichen Aktiva von Emittenten mit einer niedrigeren Bonitätsnote macht Investoren anfälliger für plötzliche Verluste. Da die Renditen für Bonds aller Kategorien, von den bonitätsstärksten bis zu den risikoreichsten, historisch gesehen so niedrig liegen, könnte der Ausverkauf, wenn er dann passieren sollte, hässlich werden, sagt Weisman von MFS.

Deutschland muss 2044 Anleihen mit einem Volumen von 16 Mrd. Euro zurückzahlen. Wenn die Rendite von derzeit 0,59 Prozent im kommenden Jahr um einen halben Prozentpunkt steigen würde, würden Käufer Verluste von fast zehn Prozent erleiden, wie die Daten zeigen. „Dies bedeutet wahrscheinlich, dass wir erleben werden, dass es in sehr unangenehmer Weise zu einer Trendwende kommen wird“, sagt Weisman. (Bloomberg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2015)


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