Rentenmärkte: Anleihekurse im Zenit

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Europäische Staatsanleihekurse sind derart heftig nach oben geschnellt, dass sich einige Anleger inzwischen auf eine Korrektur einstellen.

Wien. Das mit der Sicherheit ist freilich so eine Sache. Denn dass die Renditen bei einem Investment in Anleihen, die als besonders sicher gelten, bescheiden ausfallen, ist allgemein bekannt. Dazu zählen allen voran deutsche Bundesanleihen. Allerdings haben sich hier die Kurse zuletzt derart verteuert, dass Anleger dem deutschen Staat zumindest bei Laufzeiten bis zu sieben Jahren mittlerweile Zinsen zahlen anstatt – wenn auch nur eine geringe – Rendite mit einer entsprechenden Veranlagung zu erzielen.

Der Zusammenhang ist leicht erklärt: Je teurer die Anleihe, desto weniger profitiert man vom jährlichen fixen Kupon. Unter dem Strich schrumpft also jene Rendite, die sich mit einem Anleiheinvestment erzielen lässt – oder rutscht im Extremfall gar ins Minus.

Mit fundamentalen Gründen lässt sich der aktuelle „Zustand“ jedenfalls nicht erklären, so Michael Penninger, Assetmanager bei der Schoellerbank. „Die Kernzone steht zwar gut da. Dennoch ist das Zinsniveau von den Fundamentaldaten losgelöst.“ Vielmehr werde es von der Europäischen Zentralbank (EZB) künstlich beeinflusst, wie Penninger hervorhebt. „Vordergründig, um die Deflation zu bekämpfen, hintergründig, um die Wirtschaft anzukurbeln, auch wenn Letzteres abseits ihres Mandats liegt.“

Abverkauf bei Anleihen

Zur Erinnerung: Bis September 2016 plant die EZB, monatlich Anleihen um 60 Milliarden Euro zu kaufen. Diese zusätzliche Nachfrage treibe die Anleihekurse noch weiter an, umfasst Martin Bohn, Chefanleihestratege bei der Bawag PSK Invest das Marktgeschehen. „Aus genau diesem Grund setzen wiederum viele Anleger auf weitere Kursgewinne bei europäischen Staatsanleihen. Denn zumindest bislang geht man davon aus, dass dieses Program voll durchgezogen wird.“

Dennoch, eine Einbahnstraße sollte man sich nicht erwarten, mahnt Bohn. „Wir beobachten den Markt mit wachsender Vorsicht.“ Schließlich kauft die EZB nicht um jeden Preis. Anleihen, bei denen etwa die Renditen unter den Einlagensatz (gilt für Bankeinlagen bei der EZB) von derzeit rund minus 0,20 Prozent fallen, kommen nicht mehr infrage. Allein daraus ergibt sich eine erste mögliche „Kursgrenze“.

Es könnte aber noch andere Gründe für ein Ende der Hausse geben, „etwa, wenn die EZB-Maßnahmen zu greifen beginnen, das Wachstum in der Eurozone anspringt und Banken wieder mehr Kredite vergeben“, so der Bawag-PSK-Experte. Dann würde die EZB ihr Kaufprogramm vermutlich vorzeitig beenden. Vor allem spekulative Anleger würden relativ rasch ihre Anleihen abverkaufen.

Wie nervös schon jetzt einige Marktteilnehmer seien, „haben zuletzt gröbere Kursschwankungen gezeigt, die durch einige positive Konjunkturdaten ausgelöst wurden“, so Bohn. Einen ersten Vorgeschmack gab es in der Vorwoche. Am Donnerstag kam es zu einem größeren Abverkauf bei deutschen Anleihen.

Kein Wunder, dass unlängst US-amerikanische Großanleger wie der Anleihenguru Bill Gross über Gewinnchancen mit Wetten auf fallende deutsche Bundesanleihen offen gesprochen hatten, gerade der „sichere Hafen“ könnte bei einer Trendwende besonders kräftig abverkauft werden. Wobei: Auch Privatanleger haben die Möglichkeit, sich zu positionieren.

Dazu bieten sich börsengehandelte Passivfonds, sogenannte ETFs, sowie Zertifikate an, mit denen man – auch gehebelt – genauer gesagt auf fallende Kurse des Euro-Bund-Future setzen kann. Dieser wird an der deutschen Terminbörse gehandelt und bildet die erwartete künftige Entwicklung einer synthetischen zehnjährigen deutschen Bundesanleihe (fiktive Anleihe, die aus einer real existierenden Anleihe berechnet wird) mit einem Kupon von sechs Prozent ab.

Nicht voll investieren

Allein, schon jetzt nehme das Interesse von Privatanlegern an entsprechenden Produkten zu, wie Anouch Wilhelms, Zertifikateexperte bei der Commerzbank, festhält: „Nachdem der Euro-Bund-Future im April die Marke von 160 überschritten hatte, verzeichneten wir verstärktes Kundeninteresse für Short-Produkte auf den Bundesanleihe-Future.“

Das Magische an der Grenze: Ab einem derart hohen Preis schmilzt der „Vorteil“ des sechsprozentigen Kupons des Euro-Bund-Future praktisch zur Gänze dahin.

Aber auch eine Portion Risikobereitschaft sollte man bei Short-Produkten mitbringen. Denn Short-Faktor-Zertifikate und Short-ETFs bilden die tägliche prozentuelle Veränderung – in diesem Fall vom Euro-Bund-Future – invers ab. Steigt hingegen der Future um mehrere Prozente an, muss er zuerst einmal wieder ein gutes Stück fallen, um die Verluste aufzuholen.

Bei Turbo-Short-Zertifikaten droht wiederum beim Anstieg des Future ein Totalverlust, falls die Barriere (oft auch Stop-Loss oder Knock-out-Schwelle genannt) nach oben hin erreicht wird.

Anleger sollten jedenfalls nur einen kleinen Teil ihres Vermögens in diese Produkte veranlagen.

AUF EINEN BLICK

Renditen von Staatsanleihen sind in diesem Jahr stark gesunken. Grund dafür ist das Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank. Viele Anleger erwarten sich daher weitere Kursgewinne. Gleichzeitig gibt es jedoch Angst vor einem Ende der Hausse. Bereits in der Vorwoche ist es bei deutschen Anleihen zu einem größeren Abverkauf gekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2015)


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