EZB-Chef Draghi bereitet Schuldnern Freude

ECB's Draghi Announces Rate Decision
ECB's Draghi Announces Rate DecisionBloomberg
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Die EZB begünstigt Schuldner mit noch niedrigeren Zinsen. Vor allem für Franken-Darlehen fällt die Zinsbelastung extrem niedrig aus.

Wien. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Juni ein weiteres Maßnahmenpaket geschnürt, um die Wirtschaft in der Eurozone anzukurbeln. Wieder einmal. Diesmal drückte sie den Leitzins auf 0,15 Prozent. Und: Banken müssen einen Strafzins berappen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Wie immer, wenn die EZB eine große Aktion lanciert, fühlen sich die einen (wieder einmal die Sparer) benachteiligt. Andere, wie die Kreditnehmer, reiben sich die Hände.

Wenn die EZB-Verantwortlichen den Leitzins senken (oder nur im Vorfeld Spekulationen über eine Zinssenkung streuen), drücken sie indirekt auch die Geldmarktzinssätze nach unten. Das sind jene Zinssätze, zu denen die Banken einander Geld borgen. Im Euroraum werden die Geldmarktzinsen von den Euribor-Zinssätzen dargestellt. An diesen orientieren sich die meisten Kredite. Dort sind die Auswirkungen der jüngsten EZB-Maßnahmen deutlich sichtbar.

Zum Beispiel am Drei-Monats-Euribor-Zinssatz, mit dem viele Darlehen verknüpft sind. Der Euribor stand Anfang Mai noch bei 0,34 Prozent – ein ohnehin schon extrem niedriger Wert. Dank EZB notiert er heute bei rund 0,2 Prozent. Gut für jene, die ein Darlehen mit einer variablen Verzinsung ausständig haben. Im Normalfall ergibt sich die monatliche Belastung für die Kreditnehmer aus dem Euribor-Zins plus einer Kreditmarge (außer die Bank hat dem Kreditnehmer eine spezielle Zinskonstruktion aufgeschwatzt, bei der in den meisten Fällen die Bank selbst profitiert). Was heißt das in der Praxis? Für ein endfälliges 200.000-Euro-Darlehen würde die monatliche Belastung inklusive einer Kreditmarge von 1,5 Prozent aktuell nur 290 Euro betragen. Zum Vergleich: Mitte 2008 hatte der Kreditnehmer rund 1000 Euro pro Monat bezahlen müssen.

Auch Nachteile für Franken-Schuldner

Mit gemischten Gefühlen werden die Franken-Kreditnehmer die Zinsentwicklung verfolgen. Einerseits können sie sich freuen: Sie zahlen in der Schweizer Währung noch weniger Zinsen als im Euro. Der Franken-Libor (drei Monate) steht bei 0,014 Prozent. Für einen endfälligen Franken-Kredit zum Gegenwert von 200.000 Euro macht die monatliche Belastung somit 260 Euro aus (bei einer Kreditmarge von 1,5 Prozent). Zum Vergleich: Vor der Finanzkrise 2008 war eine monatliche Belastung von rund 700 Euro angefallen.

Die Franken-Kreditnehmer werden noch länger von geringen Zinsbelastungen profitieren, weil sich die Schweizer Notenbank (SNB) an der EZB orientiert und die Zinsen drücken muss, um eine Aufwertung des Franken zum Euro zu verhindern. In dieser Konstellation liegt gleichzeitig auch das Übel für die Fremdwährungskredite. Die Zinsbelastung ist zwar gering, aber es gibt kaum eine Chance, dass der Euro bald zum Franken aufwertet. Das könnte erst der Fall sein, wenn die EZB die Zinsen wieder so stark erhöht, dass die Investoren den Euro attraktiver finden als den Franken, ihr Geld in die Eurozone verschieben und somit den Wert der europäischen Einheitswährung in die Höhe treiben. In diesem Fall würde sich die Kreditschuld der Franken-Darlehen wieder verringern, nachdem die Franken-Schuldner seit der Finanzkrise hohe Kursverluste in ihren Büchern verbucht hatten.

Laut Österreichs Notenbank-Chef Ewald Nowotny wird die Niedrigzinspolitik erst 2016 zu Ende gehen. Bis dahin heißt es für die Franken-Kreditnehmer, die nicht aus der Schweizer Währung aussteigen wollen: sich mit den niedrigen Zinsen begnügen, die teils enormen (Buch-)Kursverluste aussitzen und in zwei Jahren auf eine Euro-Aufwertung hoffen. Klingt einfach, aber laut den meisten Ökonomen und Finanzexperten hätte diese Euro-Aufwertung eigentlich schon nach der Finanzkrise passieren sollen. Mittlerweile sind sechs Jahre vergangen. (ker)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2014)


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