Wieder gefragt: Der Glanz der guten alten Zeit

Stilaltbauten. Flügeltüren und Fischgrätböden laufen den Dachausbauten wieder den Rang ab.

Auch wenn Altbauten in den vergangenen Wochen durch Einstürze und Debatten um Schutzzonen ins Gerede gekommen sind – die obere Liga blieb und bleibt davon untangiert. Mehr noch: Musste der klassische Stilaltbau während des Penthousebooms der vergangenen Jahre die eine oder andere Niederlage im Topsegment hinnehmen, so rangieren Flügeltüren und Sternparkett nun wieder ganz oben in der Gunst der Käufer. „Eine Zeit lang war es wirklich so, dass man ins Dachgeschoß ging“, weiß Horst Schwarzenberg, Leiter Premiumimmobilien bei JP-Immobilien. Das habe sich aber in der jüngeren Vergangenheit wieder gewandelt, vor allem die internationale Kundschaft frage inzwischen zu 90 Prozent Regelgeschoße an. Denn – Dachterrassen hin, Rundumverglasungen her – gegen den Charme von vier Meter hohen Stuckdecken kommen die modernen Dachaufbauten nur schwer an. Wobei heute nicht mehr die Beletage das Herz der Immobilienkäufer höherschlagen lässt. Denn die Balkone vor den einstigen Repräsentationsräumen taugen oft gerade noch als Raucherzuflucht, und auch die nochmals höheren Decken, die sich hier oft finden, machen den stärkeren Lichteinfall in den oberen Stockwerken nicht wett. Gefragt sind heute die obersten Regelgeschoße der Zinshäuser, wenn sie denn gut hergerichtet sind. „Großzügig gestaltete Altbauten mit Blick sind eine echte Marktlücke“, weiß Elisabeth Rohr, Inhaberin des gleichnamigen Real-Estate-Unternehmens, und diesen gibt es nun einmal am ehesten in den obersten Etagen der Zinshäuser.

Originale Details

Was einst die Dienstbotenquartiere waren, gehört nun also zu den Filetstücken auf dem Markt. Eine Trendwende, den die einst so verschmähten Stockwerke der Erfindung des Lifts zu verdanken haben, der das Wohnen mit Ausblick im Altbau heute um einiges weniger schweißtreibend als noch um die Jahrhundertwende gestaltet.
„In den vergangenen Jahren sind die Preise für Stilaltbauten noch einmal deutlich angestiegen“, berichtet Sandra Bauernfeind, Prokuristin von EHL-Immobilien. Zwar seien diese nicht immer fünfstellig, aber in den Toplagen mindestens im Bereich von 5000 Euro aufwärts pro Wohnquadratmeter, so die Maklerin. Hervorragend sanierte Objekte mit Neubaustandard, was die technische Ausstattung angeht, liegen durchaus im Bereich von 8000 bis 10.000 Euro pro Quadratmeter, im Ersten laut Schwarzenberg auch im Bereich von 10.000 bis 14.000 Euro.
Um diese Summen erwarten die Käufer sich dann aber auch ein stilvolles Wohnerlebnis, das schon beim Betreten des Hauses zu beginnen hat. „Da muss auch das Haus passen“, betont Bauernfeind, „und Mistkübel dürfen schon gar nicht im Entree stehen.“ Vielmehr geht es hier um möglichst original erhaltene Details: Das beginnt beim alten Lampenstand und geätzten Glas und setzt sich nahtlos bei den Fliesen an der Wand fort, die nicht einfach lieblos zusammengestückelt sein dürfen. „Außerdem sollte es einen großzügigen Lift geben, der nicht nur einer oder zwei Personen Platz bietet“, so Schwarzenberg.

Altes modern

Und auch vor der eigenen Türe macht der Wunsch nach dem Flair der guten alten Zeit nicht halt: Zwar soll die Eingangstüre allen modernen Sicherheitsanforderungen genügen, auf die Schönheit einer Doppelflügeltür will manch einer trotzdem nicht verzichten. Daher werden oft lieber großzügige Summen in deren Verstärkung investiert als sich mit einem charmefreien Exemplar der Neuzeit zu arrangieren. Ebenfalls viel Einsatz ist bei der Adaptierung der Grundrisse für die modernen Bedürfnisse gefragt. Denn Durchgangszimmer haben ihre Blütezeit definitiv hinter sich, und das Konzept, dass tunlichst alle Schlafzimmer über ein eigenes Bad und einen begehbaren Kleiderschrank zu verfügen haben, war um die Jahrhundertwende ebenso wenig bekannt wie die Idee einer offenen Küche.

Im Zweifel ohne Balkon

Wobei Ersteres heute im Luxussegment unabdingbar ist, während Letzteres manchmal gar nicht mehr gar so weit oben auf der Wunschliste der Käufer steht. Vor allem dann nicht, wenn das neue Heim nicht nur als Rückzugsraum für die Familie gedacht ist, sondern auch repräsentativen Zwecken dienen soll. „Dann ist es durchaus von Vorteil, wenn die Küche ein abgetrennter Bereich ist, in dem das Cateringpersonal wirken kann“, weiß Bauernfeind um die Vorteile altmodischer Küchenkonzepte. Auch das gute alte Entree, in dem die Gäste ihre Mäntel ablegen und die Frisur richten können, ehe sie in den Empfangsraum treten, erfreut sich im Gegensatz zu offenen Loft- und Penthousekonzepten heute bei vielen Kunden wieder wachsender Beliebtheit. Zu diesen gehören nicht nur eingefleischte Wiener, die schon von Kindesbeinen an über Stern- und Fischgrätparkett geschritten sind, sondern auch viele internationale Käufer, die in Wien anders als in London oder New York wohnen wollen – und bereit sind, dafür Kompromisse zu machen. „Gerade diese internationalen Kunden verstehen durchaus, dass es dann eben keine Terrasse gibt“, weiß Bauernfeind. „Allerdings bemühen sich heute bei neuen Projekten fast alle Entwickler darum, zumindest einen kleinen Balkon zu schaffen“, fügt Rohr hinzu.

Hohe Decken müssen sein

Für die Schaffung eines anderen Details werden ebenso oft viele Hebel in Bewegung gesetzt, wenn auch nicht immer mit Erfolg: Der Verzicht auf den Tiefgaragenplatz im eigenen Haus ist für manchen Altbaukäufer ein schmerzlicher, den er nur ungern in Kauf nimmt. Wobei auch diese Krot von den echten Liebhabern dieser Wohnform im Zweifelsfall geschluckt wird, wie die wachsende Nachfrage der Stilaltbauten in den vergangenen Jahren gezeigt hat.
Nur bei einem Thema fehlt dem echten Aficionado jede Kompromissbereitschaft: der Raumhöhe. Wer glaubt, hier mit Deckenhöhen unter 3,50 operieren zu können, wird vom Markt schnell eines Besseren belehrt – eine Lektion, die beispielsweise auch Verkäufer von Biedermeierhäusern mit maximal 3,20 hohen Räumen schmerzhaft lernen müssen, „das ist bei diesen Häusern oft ein wirkliches Problem“, so Schwarzenberg. Denn schließlich seien die niedrigen Decken oft das K.-o.-Kriterium für die jüngst so gehypten Penthouses und Dachausbauten – und diese hat der Stilaltbau ja nun gerade wieder auf die Plätze verwiesen. (sma)

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