Pirat entert Dachlandschaft

Wohngeschichte. Ein Zuhause wie ein Raumschiff mit Filmzitaten. Über den Dächern der Josefstadt hat sich Architekt Martin Flatz ein Haus auf dem Haus gebaut.

Eine gerade Wand könnte ja jeder bauen.“ Architekt Martin Flatz blickt auf den doppelt gekrümmten Raum. Über einer eckigen Schlafmatratze thront eine Acrylglaskuppel mit rund zwei Metern Durchmesser, angefertigt in der Modellbauwerkstatt eines Freundes.
Zwei Bootsluken in den seitlichen Wänden fügen sich in die komplexe Geometrie einer ganz in Weiß gehaltenen Schlafkoje ein, die sich den Namen Himmelbett wortwörtlich verdient. Es ist der Hochstand – zugänglich über eine steile, enge Treppe, einen aus Stahl geformten Steg und eine kleine Tapetentür – im Innenraum eines 70 Quadratmeter großen Dachausbaus, der bis auf die Schlafkuppel völlig offen im Grundriss gestaltet ist. „Ein Rückzugsraum für besondere Momente, um dem normalen Alltag zu entfliehen“, meint Flatz. Sozusagen die Perle einer Architektenwohnung, die er nicht zufällig auf den Namen Black Pearl getauft hat.

Schwarze Perle vor Anker

Das einst schnellste Schiff der Karibik unter Piratenkapitän Jack Sparrow liegt in der Flatz'schen Interpretation nunmehr auf dem Dach eines Gründerzeithauses in der Josefstadt vor Anker. Außen schwarz, innen weiß. „Der weiße Kern lässt den Wohnraum größer und sauber erscheinen. Die schwarze Schale passt sich unprätentiös in die umgebende Dachlandschaft ein und erfüllt zudem thermische Zwecke“, so Flatz.
Die Mischung aus Funktionalität und augenzwinkerndem Design zieht sich wie ein roter Faden durch einen Wohnraum, der sich der Länge nach fast 20 Meter von Süden nach Norden erstreckt. Bestes Beispiel: ein knapp ein Quadratmeter großer Kobel in Form eines russischen Pilotencockpits. Die Sitzfläche bildet ein alter Saab-Autositz, den Blick über Wien macht eine organisch in die Fassade eingearbeitete Kuppel eines Mig-Kampfflugzeuges frei, erstanden auf einem slowakischen Schrottplatz für rund 500 Euro. „Ein Paffer- und Pufferraum“, erklärt Flatz den doppelten Nutzen. „Einerseits ein Raucherzimmer für Gäste, andererseits meine mechanische Klimaanlage. Durch die Verglasung sammelt sich hier warme Luft, die in den Wohnraum strömen kann, wenn ich die Glasschiebetür öffne. Im Sommer wiederum entsteht in Verbindung mit den geöffneten Luken in der Schlafkuppel ein kühlender Luftzug.“

Schiffsdeck mit Wildgarten

Sorgt der hohe Glasanteil der Fassade schon im Innenraum für freie Sicht auf den Kahlenberg oder, von der Küchenzeile gegen Osten auf das Rathaus, so erschließt sich die Panoramasicht über Wien erst so richtig auf dem Deck der Black Pearl.
Über eine steile Stiege geht es auf die Ipeholz-Terrasse und den Dachgarten – einen „wilden, autonomen Garten ohne Topfpflanzen und ohne Bewässerungsanlage“, wie Flatz betont. Thymian, Rosmarin, Oregano, Pfefferminze, Bohnenkraut, Majoran, Malve, Salat, Erdbeeren, Rosenstöcke und ein paar nicht identifizierte Blumen und Pflanzen – alles, was interessant aussieht oder gut zu essen ist, darf wachsen und wuchern.
Für den fruchtbaren Boden sorgt eine Kärntner Blumenwiese als Basis, angereichert mit Erdstücken, die im Zuge von Reisen von besonderen Plätzen mitgenommen und dazugemischt werden. „Ich mag die Idee des ganz persönlichen Stoffwechselkreislaufs. Pflanzen, essen, Küchenabfälle in die Erde – und weiter geht es im Kreis“, sagt der Hobbygärtner, der auch als Architekt im eigenen Wohnraum bald wieder Hand anlegen will. Geplant ist, die momentan fix montierte Kuppel über dem Himmelbett zu einer nach oben klappbaren Deckensphäre umzugestalten. James Bond Style. Ein Experiment, wie so vieles in der Black-Pearl-Wohnlandschaft.

Zur person, zur Lage

Architekt Martin Flatz (www.flatzarchitects.com) hat sich auf dem Dach eines Gründerzeitbaus in der Florianigasse einen Wohnraum geschaffen (70 m2, 40 m2 Dachterrasse), der als Haus auf dem Haus 2015 für den Architekturpreis „Das beste Haus“ nominiert wurde.
Die durchschnittlichen Verkaufspreise für Eigentumswohnungen liegen in der Josefstadt laut wohnungsmarktbericht.at 2015 bei rund 5600 Euro (Erstbezug/m2), die Mietabschlusspreise bei rund dreizehn Euro.

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