Wohn-Geschichte: Offenheit in vier Wiener Wänden

Der Künstler Edgar Honetschläger lebt in einer 50 Quadratmeter großen Wiener Altbauwohnung, die er in den 1980er-Jahren zum Loft umbaute.

Er ist ein ewig Reisender. Gelebt und gearbeitet hat er nicht nur in Österreich, sondern auch in Brasilien, in den USA und in Japan. Dass seine Wohnung eine Hommage an Offenheit und Freiheit ist, wirkt da irgendwie logisch. Der Künstler Edgar Honetschläger ist seit 1987 Mieter einer Wohnung in Wien-Landstraße, in der Neulinggasse nahe der Ungargasse; eines jener Wiener Grätzel, die für Immobilienexperten magisch anziehend wirken, weil sie von Nachbarn gehegt und gepflegt werden und dahinschlummern in ihrer Gemütlichkeit und Schönheit. In dem Fall tut die Neulinggasse das versteckt hinter der Rudolfstiftung und den beiden Flaktürmen im Arenbergpark. Auch Honetschläger liebt seine Nachbarschaft. So sehr, dass er über seine frühere Nachbarin, eine alte Frau – „Omsch“, Großmütterchen, wie er sie liebevoll nennt – einen Film gleichen Namens drehte. Seine eigene Wohnung wurde dabei zum Drehort. An sie, mittlerweile verstorben, erinnert heute das Filmplakat – an der Wand angebracht, die an ihre alte Wohnung grenzt. „Sie war 20 Jahre lang meine beste Freundin, die Omsch“, sagt der Künstler.

Ein-Personen-Loft im Altbau

Gemeinsam teilten Honetschläger und seine Nachbarin nicht nur Nachmittage über Teebechern, sondern auch die Aussicht in den Innenhof des Hauses in der Neulinggasse. Der Hof mit seinen Bäumen zieht sich über die Länge dreier Häuser: Früher, also am Anfang des 19. Jahrhunderts, war hier ein 800 Bierselige fassender Gastgarten des Bierbrauers Vinzenz Neuling, des Namensgebers der Gasse.

In die 50-Quadratmeter-Wohnung zog der Künstler und Filmemacher während seiner Studienzeit. Davor hatte er im zweiten Wiener Gemeindebezirk, danach in seinem Auto gewohnt. „Schon damals, so kommt es mir vor, war der Wohnungsmarkt in Wien umkämpft“, sagt Honetschläger und erinnert sich an 86 Mitbewerber um die Wohnung in der Neulinggasse. Als er schließlich einzog, „war das hier ganz klassisch Zimmer, Küche, Kabinett“. Die Wohnung war in „katastrophalem Zustand“. Gemeinsam mit dem befreundeten Architekten Ernst J. Fuchs – heute bei The Next Enterprise Architects – modelte Honetschläger die Wohnung in ein Ein-Personen-Loft im Wiener Altbau um: Die Wände verschwanden, plötzlich gab es vier nebeneinanderliegende Fenster. Die ursprüngliche Raumaufteilung ist noch an den alten Bodenplatten erkennbar. Hinter der offenen Küche, die mit ihrem Steinboden besonders „industrial“ wirkt, liegt der Schlafraum – nicht gänzlich abgetrennt, ohne Tür. Das Bett steht etwas höher, darunter und dahinter ist Stauraum. Selbst eine Geheimtür bauten Fuchs und Honetschläger ein: Als Bücherregal getarnt verdeckt sie einen Lagerraum, vor den man sie rollen kann.

Faxen für Japan

Eine strikte Trennung von privatem Wohn- und beruflichem Arbeitsraum gibt es bei Honetschläger nicht, obwohl er in einem Liesinger Industriegebäude ein 700 Quadratmeter großes Atelier betreibt. Auch zu Hause zu arbeiten, daran sei er gewöhnt: „In Tokio kann man sich kein Atelier leisten.“ In seiner Wohnküche ist eine ganze Wand mit einem Regal als Holzplatten abgedeckt, in dem Honetschläger Zeichnungen archiviert. Auch unter der Küchentheke ist ein ähnliches Gestell, dieses für Arbeitsutensilien.
Ein Faxgerät steht nach wie vor an prominenter Stelle in Honetschlägers Wohnzimmer. Dabei ist es keine Reminiszenz an alte Tage, sondern tatsächlich noch in Betrieb: Die Japaner, meint der Künstler, würden weiterhin faxen.

Zur Person, Zum Ort

Edgar Honetschläger wurde 1967 in Linz geboren. Er ist Künstler und Filmemacher, 1997 war er Documenta-Teilnehmer. Seine Filme wurden etwa bei der Berlinale, der Viennale und der Diagonale gezeigt. Gelebt hat Honetschläger unter anderem in Italien, Brasilien, England, den USA und Japan. Auch in seiner Arbeit befasst er sich gern mit Orten: Sein Film „Los Feliz“, aktuell im 21er-Haus zu sehen, spielt zwischen Los Angeles und Rom.

Im 3. Wiener Bezirk liegt der Mietzins für Wohnungen mit gutem Wohnwert bis 60 Quadratmeter bei 10,1 Euro/m2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2016)

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