Mit Geweihen, am Waldrand

Hausgeschichte. Der österreichische Bundespräsident macht gern Sommerfrische im Jagdschloss Mürzsteg. Klingt feudaler, als die einstige habsburgische Immobilie tatsächlich ist.

Der Bundespräsident macht Ferien wie der Kaiser: Das ist ein schönes Bild, weil sich darin die österreichische Dichotomie von Habsburgermythos und Zweiter-Republik-Pragmatismus zeigt. So nobel wie Schloss Schönbrunn, die Burg oder die Kaiservilla in Bad Ischl ist der Freizeitwohnsitz des einst auf eine Wiener Amtsvilla verzichtenden, scheidenden Heinz Fischer freilich nicht. Auch die Gegend rundum hat wenig von dem exklusiven Flair, das ein Salzkammergut- oder Wörthersee mitbringt.
Das Jagdschloss steht am hochsteirischen Waldrand, in der kleinen Gemeinde Mürzsteg, umringt von Hoher Veitsch und Schneealpe, weiter unten fließt die Mürz, in deren Talfurche etliche Kilometer flussabwärts die industrielle Revolution einen massiven Schub erlebt hat. Hier oben im ruhigen Hinterland ging Kaiser Franz Joseph gern jagen und Heinz Fischer, der gebürtige Steirer, gern wandern. Oft mit Gästen, manche vom Rang eines russischen Zaren (Nikolaus II.) oder UN-Generalsekretärs (Ban Ki-moon). Kaiserin Elisabeth begleitete Franz Joseph manchmal nach Mürzsteg, schon die Flitterwochen hatte man hier verbracht. Heinz und Margit kann man schon einmal beim Schwammerlsuchen oder auf einer Almwanderung treffen.

Vom Landhaus zum Schloss

Das Jagdschloss Mürzsteg ließ der Kaiser 1869 für sich errichten, beauftragte August Schwendenwein und Johann Romano als Architekten und finanzierte das Projekt aus eigener Schatulle. Aus dem ursprünglich geplanten kleinen Landhaus wurde erst in mehreren Bauphasen ein kleines Schloss: Zuerst wurde ein Park rund um das Objekt angelegt, 1879 wurde dazugebaut, 1903 noch einmal groß erweitert. Die Ausstattung war einem Jagdhaus gemäß nicht sehr feudal, doch komfortabel und auf der Höhe der Zeit (Stichwort Wasserleitung). Trophäen hängen heute noch an den Wänden, das Interieur soll in vielen Räumen unverändert, original sein – aktuelle Bilder und Zugang zum Inneren gibt es aus Sicherheitsgründen nicht mehr.

Schindeln und Türme

Von außen zeigt sich das Haus im Gewand seiner Zeit – während seiner großen Erweiterung kam ein Schweizer Stil beziehungsweise Heimatstil in Mode, eine Art Hybrid aus ländlichen und urbanen Versatzstücken, mit viel Holz und einer Rustikalität, die nicht unelegant erscheint. Mit mehrgeschoßigen Türmen statt filigraner Türmchen. Mit robusten Erkern, Vorsprüngen und Rücksprüngen. einer steilen, vielteiligen Dachlandschaft und einer schindelverkleideten Fassade, die dem Wetter zu trotzen scheint. Mit einem gewissen Romantizismus und zugleich einer stilistischen Strenge. Heute steht das Jagdschloss Mürzsteg unter Denkmalschutz.

Stand nie zur Disposition

Die Besitzverhältnisse änderten sich nach dem Ersten Weltkrieg, das Jagdschloss wurde Eigentum der Republik Österreich. Es folgte kurz ein Leerstand, und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es das Sommerfrischehaus des amtierenden Bundespräsidenten – Heinz Fischer war der achte, der das Haus für sich, aber auch für zahlreiche offizielle Besucher nutzte. Verwaltet wird die Immobilie von der Burghauptmannschaft Österreich. Dass die Immobilie nach Fischers Amtsantritt hätte veräußert werden sollen, ist eine Falschmeldung, die immer wieder auftaucht und immer wieder widerlegt wird. So bleibt das Haus ein Rückzugsort für den oder die nächste, der/die so ein Ambiente zu schätzen weiß. (mad)

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