Im Hamsterrad der Zentralbank

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Wie die Geldflut der Europäischen Zentralbank sinnvolle Anlageprodukte "bestraft" - und gerade konservative Anleger zum Spekulieren animiert.

Wien. Mehr denn je hängt die Eurozone an der Droge des billigen Geldes. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Vormonat damit begonnen, Staatsanleihen der Euroländer in großem Stil aufzukaufen. Mehr als eine Billion Euro (in Ziffern: 1.000.000.000.000) will die Zentralbank bis September 2016 in die Märkte pumpen, um eine Deflation zu verhindern. Somit ist auch klar: Die Phase der extrem niedrigen Zinsen wird mindestens bis Ende 2016 anhalten.

Von dem billigen Geld können die Banken sich gut nähren (also jene, die die weltweite Krise hauptsächlich zu verantworten haben), und die konservativen Anleger (also jene, die die weltweite Krise kaum zu verantworten haben) zahlen die Zeche. Deswegen, weil seriöse Anlageprodukte einen sicheren Verlust nach sich ziehen. Für ein Sparbuch mit einjähriger Bindung beispielsweise bekommt ein heimischer Sparer bei österreichischen Filialbanken gerade einmal 0,2 bis 0,3 Prozent jährlich (vor Abzug der Kapitalertragsteuer). Also praktisch nichts. Bei einer (offiziellen) Jahresinflation von rund 1,5 Prozent fährt der Sparer also einen realen Verlust von mehr als ein Prozent p.a. ein.

Variable Bausparverträge werfen derzeit nur Mindestzinsen von 0,25 bis 0,3 Prozent p.a. ab, Bausparverträge mit fixer Verzinsung bieten 0,75 Prozent p.a. mit sechsjähriger Bindung. Mit solchen Zinssätzen wird der Bausparanleger trotz staatlicher Bausparprämie die jährlichen Inflationsraten niemals abdecken können. Zumindest zählt das Bausparen noch zu den wenigen Finanzprodukten, die volkswirtschaftlich sinnvoll sind.

Die Ironie der Finanzmisere jedoch ist, dass gerade jene Kunden, die ihr Geld in sinnvolle Produkte stecken (wie eben in einen Bausparvertrag), zusehen müssen, wie durch das billige Zentralbankgeld die Aktienmärkte künstlich aufgepumpt werden. Und sich dann permanent von „Anlageexperten“ anhören müssen, dass die einzige Möglichkeit zur Vermeidung von Realverlusten ein hohes Risiko ist. Die bösen Geister von 2008/09 sind wohl schon wieder vertrieben. Damals hat sich deutlich gezeigt, dass eine Vielzahl der Anlagestrategen und Fondsmanager nicht imstande war, die Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten richtig einzuschätzen.

Staatsanleihen warfen viel ab

Auch in den vergangenen Jahren wurde regelmäßig das Gebot von vielen „Experten“ ausgerufen, sichere, niedrig verzinste Produkte lieber heute als morgen loszuwerden. Vor allem sichere Staatsanleihen mit langen Laufzeiten würden in den kommenden Jahren deutliche Verluste einfahren, hieß es oft. Da hatten sie eindeutig die Rechnung ohne die europäischen Zentralbanker gemacht. Denn sie sind ganz und gar nicht von ihrer Niedrigzinspolitik abgewichen und haben stattdessen die Preisblase bei den Staatsanleihen weiter aufgepumpt.

Ein Beispiel: Eine österreichische Staatsanleihe (AT0000A105W3) mit einer Laufzeit bis 2023 hat seit Herbst 2013 um fast 20 Prozent an Wert gewonnen. Das ist natürlich prächtig für jene Anleger, die seit damals in solch „biederen“ Anleihen investiert waren. Wer heute einsteigt, geht auf dem aktuellen Preisniveau ein hohes Risiko ein. Zu verdienen gibt es angesichts der astronomischen Anleihekurse mit laufenden Kupons nichts mehr, nach Abzug der Kapitalertragsteuer und der Kosten erleidet der Kunde sogar ein Minus. Dann gibt es eben nur zwei Möglichkeiten: spekulieren oder das Geld auf ein Sparbuch oder in einen Bausparvertrag mit sicherem Realverlust zu stecken.

So ist das in Zeiten, in denen Investoren der Republik Österreich ihr Geld mittlerweile schenken, damit sie sich bei ihnen verschuldet. (ker)

AUF EINEN BLICK

Die Europäische Zentralbank will bis September 2016 eine Billion Euro in die Finanzmärkte pumpen, nachdem sie die Zinsen auf null gedrückt hat. So will sie Inflation und Wirtschaftswachstum erzeugen. Das führt dazu, dass sich viel Geld um wenige gute Anlageformen rauft. Da man mit „sicheren“ Staatsanleihen fast nichts mehr verdienen kann, weichen Investoren auf Unternehmensanleihen, Schuldverschreibungen von Staaten mit schlechterer Bonität und Aktien aus. Auch dort sind die Preise bereits deutlich gestiegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2015)


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