„Crowdinvesting wieder in Grauzone“

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SolarenergieMichaela Bruckberger
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Nachrangdarlehen gelten als praktikabelstes Instrument für die Finanzierung aus der Crowd. Nach einem Urteil ist die Unsicherheit nun aber groß.

Wien. Geld auf dem Sparbuch bringt so gut wie keine Zinsen mehr, und Unternehmen – speziell Start-ups und KMU – tun sich immer schwerer, eine Bankfinanzierung zu bekommen: Kein Wunder, dass das Interesse an Crowdinvesting wächst. Dabei sammeln Unternehmen von vielen Privatanlegern – der Crowd – kleine Beträge ein und versprechen ihnen dafür ansprechende Renditen.

Anfangs geschah das in einem rechtlichen Graubereich – siehe den Fall des Waldviertler „Schuhrebellen“ Heini Staudinger: Dass er sich Kleinkredite von Freunden und Kunden geben ließ, qualifizierten die Finanzmarktaufsicht (FMA) und schließlich auch der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) als bankkonzessionspflichtiges Einlagengeschäft. Staudinger musste die Kredite auf Nachrangdarlehen umstellen, um sein Finanzierungsmodell zu legalisieren.

Vor knapp einem Jahr trat schließlich das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) in Kraft. Auch dieses sieht das Nachrangdarlehen als eines von mehreren möglichen Konstrukten vor. Crowdinvesting bekam damit einen Rechtsrahmen. Ein Gerichtsurteil aus Graz, erstritten vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) gegen ein Fotovoltaikunternehmen, könnte diesen jedoch infrage stellen: Denn darin heißt es, das hier gewählte Konstrukt sei gröblich benachteiligend für Verbraucher. Es überwälze nämlich unternehmerisches Risiko auf den Darlehensgeber, ohne ihn am Erfolg zu beteiligen.

Welche Folgen hat das nun? „Die Finanzierungsart droht erneut in den rechtlichen Graubereich abzugleiten“, sagt der auf Kapitalmarkt-, Banken- und Wertpapieraufsichtsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Ernst Brandl. Denn faktisch sei – spätestens seit der VwGH-Entscheidung im Fall Staudinger (2013/17/0242) – das qualifizierte Nachrangdarlehen fast die einzige finanzierbare Möglichkeit für KMU, Kapital von einem größeren Personenkreis aufzunehmen: „Nachrangdarlehen sind leicht umzusetzen, Kleinanlegern rasch zu erklären und erfordern nur wenig rechtliche Beratung.“ Die Anleger kommen dadurch freilich in die denkbar schlechteste Position. Im Insolvenzfall werden sie fast so behandelt wie Gesellschafter, bei der Unternehmensführung mitreden dürfen sie jedoch nicht; und sie haben auch keinen Anspruch auf Gewinnbeteiligung. Erzwungen habe das aber der VwGH, indem er den Begriff des Einlagengeschäfts, das Banken vorbehalten ist, so weit interpretierte, sagt Brandl. Denn dadurch wurden nichtnachrangige Darlehen – die den Geldgebern eine bessere Position verschaffen würden – als Instrument für Crowdinvesting ausgeschlossen.

Brandls Fazit: Nach dem Urteil aus Graz stehe diese Finanzierungsform wieder am Anfang. „Egal welches (finanzierbare) Instrument man wählt – entweder aus zivilrechtlicher oder aufsichtsrechtlicher Perspektive stellt sich immer ein neues Hindernis auf.“ Die vom Gericht vorgeschlagene Erfolgsbeteiligung lasse sich nämlich wiederum aufsichtsrechtlich nicht leicht implementieren.

Hoffen auf OGH-Entscheidung

Noch ist freilich nicht gesagt, dass das Urteil hält. „Der Fall dürfte bis zum OGH gehen, und ich hoffe das auch“, sagt VKI-Juristin Petra Leupold. Dass es tendenziell eine „Schere zwischen Aufsichtsrecht und Zivilrecht“ gibt, bestätigt auch sie. In dem Rechtsstreit gehe es aber nicht um das Nachrangdarlehen an sich, sondern bloß um die in diesem konkreten Einzelfall gewählte Variante, die aus VKI-Sicht für Verbraucher extrem nachteilig sei. Andere Modelle, auch mit Nachrangdarlehen, könnten durchaus ausgewogener und für Verbraucher geeignet sein, meint Leupold.

Brandl hingegen befürchtet, dass „KMU auf der Suche nach Kapital aus der Crowd auch in Zukunft immer zwischen der Finanzmarktaufsicht auf der einen und den Konsumentenschützern auf der anderen Seite hin und her geschickt werden“. Dass das der Investitionsfreude eher abträglich sei, liege auf der Hand. „Und es wird auch kaum – wie von höchster Stelle gewünscht – die Start-up-Szene befeuern.“ Einig ist er sich mit Leupold nur in einem Punkt: dass es endlich Rechtssicherheit geben müsse. Crowdinvesting sei eine Triebfeder für die Finanzierung junger Unternehmen. „Es ist Zeit, dass sie aus dem rechtlichen Graubereich geholt wird.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2016)


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