Scharang: „Will mir meine Zeit nicht abkaufen lassen“

PRESSETERMIN DREHARBEITEN ´JACK´: SCHARANG
PRESSETERMIN DREHARBEITEN ´JACK´: SCHARANG(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Die Filmemacherin und Moderatorin Elisabeth Scharang erklärt, warum sie materielle Unsicherheit gern in Kauf nimmt und Erfolg sich nicht in Geld messen lässt.

Die Presse: Wie schwer ist es, in Österreich einen Film zu drehen?

Elisabeth Scharang: Darf ich zu etwas anderem etwas sagen?

Ja.

Die Frage, die mich derzeit beschäftigt ist: Wofür arbeitet man überhaupt? Üblicherweise tut man das für Geld. Ich glaube, das ist auch der Grund dafür, dass vieles nicht so gut läuft. Kontrolle und Macht kann man für Geld kaufen. Zufriedenheit, Anerkennung oder Respekt nicht.

Aber Anerkennung erfolgt auch über Geld.

Mich ärgert, dass immer der am meisten verdient, der die Ellbogen am weitesten ausfährt.

Ein Chef wird wohl niemandem freiwillig mehr geben.

Dann ist es kein guter Chef.

Das heißt, die Verantwortung liegt allein beim Chef?

Nein. Man macht es sich da unten ja oft auch bequem und schimpft nach oben. Man sollte akzeptieren, dass man gemeinsam mit dem Chef an etwas arbeitet. Geld ist nicht das einzige Wertesystem.

Vielen ist wichtig, dass Arbeit sinnerfüllend ist. Davon kann man sich aber nichts kaufen.

Ich kenne Leute, die viel verdienen, und es geht ihnen trotzdem nicht gut. Ich komme mit sehr wenig Geld aus. Vor drei, vier Jahren habe ich sehr wenig verdient.

Haben Sie Schulden gemacht?

Ich habe immer zwei Konten mit Überziehungsrahmen laufen. Aber ich habe auch Freunde. Ich weiß, dass ich nicht auf der Straße stehen werde, wenn ich meine Wohnung nicht mehr bezahlen kann.

Hatten Sie nie Zukunftsängste?

Bei den Dreharbeiten zum Film „Kick Out Your Boss“ habe ich gemerkt, dass jene Leute, die lang in einer Anstellung sind, am meisten Angst haben. Sie sind nicht mehr daran gewöhnt, sich zu bewegen. Mein Leben steht auf mehreren Standbeinen: einem guten sozialen Umfeld, bezahlter und unbezahlter Arbeit. Bricht eine Säule weg, haut es dich nicht gleich auf. Das empfinde ich als Sicherheit. Für mich ist es nicht mehr vorstellbar, dass ein anderer jeden Tag über acht Stunden meines Lebens bestimmt. Da nehme ich es sehr gern in Kauf, dass ich nicht weiß, wie es ab März weitergeht. Geld ist ein schlechter Motivator, weil ich mir meine Zeit nicht abkaufen lassen will.

War Geld in Ihrer Jugend ein Thema?

Meine Mutter war Lehrerin, mein Vater war freiberuflicher Schriftsteller und Drehbuchautor. Von ihm habe ich gelernt, keine Angst zu haben und Hierarchien zu hinterfragen. Ich habe als Kind nie genau gewusst, woher er das Geld nimmt. Dass er russische Mafiakontakte hatte, schließe ich mittlerweile aus. Er hatte eine Art, das irgendwie zu handeln, und die habe ich auch. Ich versuche, in Zeiten, in denen ich wenig Geld habe, die Großzügigkeit nicht zu verlieren, aber auch nie massiv über meine Verhältnisse zu leben.

Ist ein Film mehr Arbeit oder Hobby für Sie?

Es ist Arbeit, es ist eine Leidenschaft. Aber es ist auch etwas, das ich nicht gern permanent machen würde. Zwei Filme im Jahr, das wäre mir zu viel. Ich bin froh, dass ich ins Radiostudio gehen und eine Sendung machen kann. Die muss ich nicht drei Jahre lang vorbereiten. Mein Potenzial sind meine Ideen. Deshalb muss ich gut auf mich aufpassen, damit ich die Lust an der Arbeit nicht verliere.

Wann haben Sie die besten Ideen?

In Phasen mit wenig Geld hatte ich viel Zeit. Das war oft sehr gut, weil ich über den eigenen Tellerrand schauen konnte. Es ist aber nicht immer leicht, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Es gibt Leute, die in der fixen Struktur besser aufgehoben sind.

Regie zu führen hat aber auch etwas Hierarchisches an sich.

Nur, wenn du glaubst, dass du immer recht hast. Man muss offen für die Ideen anderer sein. Ohne diese Leute bin ich nur fünf Prozent, auch wenn ich meinen Namen unter den Film schreiben darf.

Warum gibt es eigentlich so wenige Regisseurinnen?

Es gibt viele Regisseurinnen! Und es gibt die große und die kleine Filmförderung. Die kleine, bei der es um weniger Geld geht, beantragen sehr viele Frauen.

Warum?

Weil es um weniger Geld geht.

Können Sie das erklären?

Da geht es darum, wie durchsetzungsfähig man ist und wer an einen glaubt. Es gibt ein System, das aufgebrochen werden muss. Die Generation meiner Mutter hat viel für die Gleichberechtigung von Frauen getan und ich habe eine Zeit lang gedacht, dass das kein Thema mehr ist. Dass es immer noch eines ist, habe ich gemerkt, als ich in meinem Berufsleben damit konfrontiert wurde: Als der ORF den „Club 2“ reaktiviert hat, war ich eine von drei Moderatorinnen. Irgendwann war klar, dass die männlichen Moderatoren doppelt so viel verdienen – für die gleiche Arbeit. Ich habe dann entschieden, dass ich das nicht mehr machen will. Eigentlich hätte ich das Ganze vor die Gleichstellungskommission bringen sollen.

Wie viel Geld braucht man, um einen guten Film zu machen?

Ein hohes Budget garantiert keinen guten Film. Bei „Kick Out Your Boss“ hatten wir 300.000 Euro, mein bisher kleinstes Budget. Es ist sogar noch etwas übrig geblieben. Das Geld wurde dann auf die Mitarbeiter aufgeteilt.

Ist es ein Problem, dass die Branche von der öffentlichen Hand abhängig ist?

Wie soll das anders gehen? Natürlich wäre es fein, wenn mehr privates Geld fließen würde. Man hört ja immer wieder, wie viele Millionäre in diesem Land leben.

Ärgert es Sie, dass so viele Leute Filme gratis herunterladen?

Leute, die ins Kino gehen wollen, tun es sowieso. Leute, die sich die Filme gratis runterziehen wollen, tun das sowieso. Ich sehe das Problem eher bei den Sperrfristen, die ein geförderter Film hat. Er muss zuerst ins Kino kommen und nach einiger Zeit ins Fernsehen. Heute gibt es aber immer öfter Filme, vor allem Dokumentarfilme, die wichtig sind, aber gar keine Chance haben, im Kino gezeigt zu werden. Die sollte der Staat auch fördern.

Messen Sie den Erfolg eines Filmes auch in Geld?

Nein, ich bekomme ja nichts davon, ich bin nicht gewinnbeteiligt. Außerdem spielen die österreichischen Filme ja nicht so viel Geld ein.

Könnte der österreichische Film denn nicht größer sein? In Deutschland hätte man ja einen großen gleichsprachigen Markt.

Aber der Hamburger ist weiter weg von Österreich als ein Spanier oder Däne. Insofern ist der deutsche Markt ein schwieriger. Aber Österreich ist gemessen an der Größe des Landes international erfolgreich. Wie viele deutsche Filme hat man in Cannes, Venedig oder bei den Oscars gesehen? Es hat auch Vorteile, dass bei uns nicht alles abgeschliffen wird.

Wann ist ein Film denn aus Ihrer Sicht erfolgreich?

Wir hatten in Graz anlässlich von „Kick Out Your Boss“ mehrere Veranstaltungen, bei denen manchmal auch nur 40 Leute gekommen sind. Aber ich konnte jedes Mal Gespräche mit Menschen führen, in deren Leben sich durch den Film etwas bewegt hat. Wenn man aus einer Vorstellung voll hinausgeht und nicht leer, dann ist das Erfolg. Oft ist man nach einer Premiere leer und muss sich mit dem nächsten Projekt erneut Anerkennung holen.

ZUR PERSON

Elisabeth Scharang (*1969) stammt aus Bruck an der Mur und hat sich hierzulande als Film- und Fernsehregisseurin, Drehbuchautorin sowie Radiomoderatorin einen Namen gemacht. 1997 erschien etwa „Die Tage der Kommune“ über die Kommune um Otto Mühl, 2007 kam „Franz Fuchs – ein Patriot“ ins Fernsehen. Am 20. November feiert ihr neuer Film „Kick Out Your Boss“ in Wien Premiere. Derzeit dreht sie einen Film über Jack Unterweger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2014)

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