Louie Austen: "Das ist das Schlaraffenland hoch zwei"

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Musiker und Sänger Louie Austen verrät der "Presse", warum ihm Eier aus dem eigenen Hühnerstall wichtig sind und wie es sich anfühlt, wenn man Melodien und Texte aus dem Ärmel schüttelt.

Die Presse: Herr Austen, Sie sind 68 Jahre alt. Sie könnten eigentlich in Pension gehen.

Louie Austen: Diese Überlegung gab es nie. Es ist unvorstellbar, dass man als Selbstständiger einmal aufhört nachzudenken. Und genau das ist bei mir in den letzten Jahren immer stärker geworden. Ich war schon als Kind immer sehr interessiert, aber die Intensität hat in den letzten Jahren zugenommen.

Aber Sie sind hauptberuflich schon noch Musiker, nicht Denker?

Ja, weil es am einfachsten ist.

Ist es wirklich so einfach?

Nach mittlerweile 10.000 absolvierten Auftritten geht man eine Stunde hin, macht seinen Job und fährt heim. Das Glück zu haben, in diesem Zeitrahmen Geld zu verdienen– das muss man sich einmal vorstellen. Noch dazu habe ich seit 15 Jahren einen Musikagenten, der sich um alles kümmert. Er sorgt dafür, dass ich einen Job habe, mich jemand abholt, jemand für mein Essen sorgt etc. Das ist das Schlaraffenland hoch zwei. Meine Eltern wollten sicher nicht, dass ich Sänger und Schauspieler werde, ich sollte etwas Gescheites machen. Sie haben mich gezwungen, in die HTL zu gehen. Aber ich wollte eigentlich Meeresbiologe werden.

Und wie sind Sie dann zur Musik gekommen?

Als ich sieben oder acht Jahre alt war, hat einer meiner Freunde sein Akkordeon um 300 Schilling verkauft. Ich wollte es haben, meine Eltern konnten das aber nicht auf einmal zahlen. Und dann leistet sich diese arme Familie für den Buben auch noch einen Musiklehrer. Eine Leistung, die man nicht genug würdigen kann.

Sie wollten Musikunterricht nehmen?

Ich wollte eigentlich dieses Akkordeon haben. Der Gedanke meiner Eltern war wahrscheinlich auch, dass man jetzt dieses Ding daheim stehen hat und etwas damit machen muss. Mein Vater musste selbst den Staubsauger auf Raten abzahlen.

War es Ihnen ein großes Anliegen, viel Geld zu verdienen und es später besser zu haben als Ihre Eltern?

Darf ich anders antworten? Mir war es wichtig, aus einer 53-Quadratmeter-Wohnung auszuziehen. Bei aller Liebe zu meinen Eltern: Ich hatte ja keinen einzigen Raum für mich. Ich möchte nie wieder ein Käsebrot oder einen Apfel essen müssen, während alle anderen eine Wurststemmel gegessen haben. Dieses Armsein, dieses Eingeschränktsein, diese Enge. Für mich war es wichtig, Geld zu verdienen, um eine gewisse Unabhängigkeit zu erreichen. Und in kürzester Zeit so viel wie möglich zu verdienen, um die größtmögliche Freizeit zu haben. Und damit ich andere Bedürfnisse befriedigen kann.

Wie oft müssen Sie im Monat auftreten, um Ihre eigene Familie versorgen zu können?

Eine Stunde.

Das heißt, Sie haben einen guten Stundensatz?

Ich sehe meinen Job auch als eine Möglichkeit, anderen eine Existenz zu ermöglichen. In meinem Umfeld gibt es eine Menge Leute, für die ich einen Beitrag leisten kann. Wenn jemand durch mich 1000 Euro im Monat verdient, ist das nicht viel, aber immerhin etwas. Jeder, der mich fragt, ob ich eine Idee habe und ihm helfen kann, wird von mir bedient. Denen gebe ich das Louie-Austen-Erfolgspaket. Ich bin seit 30 Jahren ein Langzeitarbeitsloser ohne Zukunftsperspektiven, ich muss als Selbstständiger täglich überleben. Man muss dauernd darüber nachdenken, welche Projekte man anleiert. Eines davon funktioniert dann vielleicht. Mein Plan ist es, noch zehn Jahre zu singen und dann als Kaffeehauspianist Evergreens zu spielen.

Sie singen ja jetzt auch schon im Marriott-Hotel.

Das Marriott mache ich aus Notwehr, sonst würde mich mein Agent jedes Wochenende irgendwohin schicken. Ich war vor einiger Zeit in Texas. Das bedeutet 20 Stunden hin, 20 Stunden zurück. Dann São Paulo, 18 Stunden hin, 18 Stunden zurück. So viel Schmerzensgeld gibt es nicht.

Das heißt, es ist für Sie mehr Anstrengung als Ehre, im Ausland aufzutreten?

Ich will nicht sagen, dass das nur Arbeit ist, das wäre brutal. Aber wenn ein Ölmulti sagt: „Ich will, dass du zu meinem Geburtstag auftrittst, und Geld spielt für mich keine Rolle“, dann mache ich das. Aber eigentlich denke ich mir, dass meine Frau dann vier Tage alleine ist.

Betrachten Sie das Singen eher als Job?

Ich schüttle Melodien und Texte aus dem Ärmel. Es ist eine Leichtfüßigkeit, die ohne Anstrengung geht. Die Anstrengung gab es in den ersten 30 Jahren in Form einer Gesangs- und Schauspielausbildung.

Haben Sie ausgesorgt?

Nein, vielleicht deswegen nicht, weil ich meiner Frau und meiner Familie, solange ich lebe, die Möglichkeit geben will, entspannt und relaxt zu leben. Nur Geld zu horten und zu sparen, ist nicht meines.

Das haben Sie nie gemacht?

Nein. Als Musiker habe ich eine Firma gegründet und Produktionen von Videos gemacht und Platten finanziert. Das ist mir viel wichtiger, als ins Ladl zu greifen und zu sagen: Schau, da habe ich Geld.

Aber um Platten zu produzieren, braucht man auch Geld.

Viel wichtiger ist, dass man eine Idee hat. Wenn ich zu einer Bank gehe und sage, dass ich Geld brauche, wird sie mir keines geben, wenn ich nicht weiß, wofür ich es brauche. Anders sieht das aus, wenn ich mit einem Konzept hingehe.

Seit wann sind Sie in der privilegierten Situation, sich nicht mehr die ganze Zeit abstrampeln zu müssen?

Es ist eher das Strampeln um Erkenntnisse.

Und finanziell?

Es ist ein kleines Strampeln.

Anders gefragt: Seit wann können Sie es sich aussuchen?

Seit vielleicht 15 Jahren.

Haben Sie darauf hingearbeitet?

Ich bin in meinem Leben mehrmals vor dem Nichts gestanden. Aus meiner Sicht gibt es dann zwei Möglichkeiten. Entweder man verzweifelt, oder man sagt sich: Macht nichts! Mein Weg war, dass ich dann zu meinen Freunden gegangen bin und sie gefragt habe, ob sie Arbeit für mich haben. Das ist auch eine Idee, das Leben zu sehen.

War das leichter für Sie, weil Geld in Ihrer Kindheit gefehlt hat?

Einer meiner Söhne kommt alle drei Wochen mit neuen Schuhen. Das ist halt eine Phase. Und irgendwann kommt man drauf, dass man sich im Leben auf das Wesentliche konzentrieren sollte. Wenn meine Frau mir drei Eier aus unserem Hühnerstall bringt und ich sie in die Pfanne haue, hat das für mich tausendmal mehr Qualität.

Der veränderte Blick auf Dinge ist aber wohl auch eine Alterserscheinung, oder?

Ja, natürlich. Es sei denn, man hat schon vorher das Glück, in der ersten Ehe mit einer Psychiaterin verheiratet gewesen zu sein.

Sie waren auch eine Zeit lang in den USA und dort sehr umtriebig. Warum sind Sie nicht geblieben?

Ja, aber ich war sehr erfolglos. Ich habe Dean Martin und Frank Sinatra nachgemacht. Las Vegas war ein Traum. Aber wenn man die Stadt untertags sieht, ist das alles Lug und Betrug. Da singe ich lieber in Tulln auf einer Hochzeit. Da freuen sich die Leute. Nur muss man so etwas wie Las Vegas auch erlebt haben, damit man nicht ewig davon träumt. [ Fabry ]

ZUR PERSON

Louie Austen (*1946) heißt eigentlich Alois Luef und stammt aus Wien. Nach seiner Gesangs- und Schauspielausbildung verschlug es den Musiker nach Südafrika, Australien und Amerika, bevor er wieder in Österreich landete. Hier angekommen arbeitete Austen zunächst in der Klimt-Bar des Hilton-Hotels und wurde später vom Marriott-Hotel abgeworben. 1999 erschien das Album „Consequences“, dem noch viele weitere folgten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2014)

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