"Profitmaximierung ist nicht unser Ansatz"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die "All I need"-Erfinder erzählen, warum Sozialprojekte zu ihrem Businessplan gehören und es schwer ist, gegen Coca-Cola zu bestehen

Die Presse: Ihr habt ja sehr unterschiedliche Biografien. Wie habt ihr einander kennengelernt?

Thomas Miksits: Ich habe damals noch studiert, Internationale Betriebswirtschaft und Sinologie, habe im Büro und in der Gastronomie gejobbt. In einem Lokal im vierten Bezirk, das es jetzt nicht mehr gibt, habe ich Alex kennengelernt. Er hat damals gekocht und ich gekellnert. Nach Dienstschluss sind wir oft zusammengesessen und haben geplaudert, und da sind wir auf die Idee gekommen – weil er sehr bioaffin war –, Bioprodukte im Automaten zu verkaufen. Wir wollten Bio zu Schülern, Studenten und in die Firmen bringen. Wir haben drei Jahre lang versucht, ein Automatensystem aufzubauen, und haben gegen Cola und Co. angekämpft, was sehr schwierig war.

Wollten die Schulen das nicht?

Miksits: Da geht es eben auch um Geld . . .
Alexander Jiresch: Wir waren in einer Klimaschutzschule: Sie wollten einen Bioautomaten von uns, dieser ist neben dem Cola-Automaten gestanden. Nach vier Monaten mussten wir ihn abziehen, weil Cola zu wenig Umsatz gemacht hat. Im Elternverein war jemand, der bei Cola gearbeitet hat. Wir hatten auch Automaten im Juridikum und auf der Boku. Dann ist ein neuer Facility-Manager gekommen und hat gesagt, man müsse für alle Automaten oder keine bieten. 300 Automaten hatten wir nicht, nur 15.

Als das mit den Automaten nicht funktioniert hat, habt ihr euer Getränk entwickelt. Wie entwickelt man ein Getränk?

Miksits: Wir haben Zutaten gesammelt, die Alex schon im Kopf hatte. Dann haben wir sie aufgebrüht, haben mit einer Grammwaage verschiedene Verhältnisse probiert, mit einer alten Isi-Flasche gearbeitet, um die Kohlensäure ins Getränk zu bekommen. Wir wollten ein Erfrischungsgetränk mit Kohlensäure, weil wir nicht der x-te Eistee sein wollten. Wir haben uns Feedback geholt von Managern aus der Getränkebranche. Von der Idee hat es drei Jahre bis zum Marktlaunch gedauert.

Wovon habt ihr in den drei Jahren gelebt?

Miksits: Ich habe gekellnert und studiert, Alex hat gekocht und die Bildhauerschule gemacht.

Und jetzt arbeitet ihr auch noch nebenbei?

Miksits: Nein. Nachdem wir die erste Abfüllung hatten, habe ich mich hundertprozentig um den Vertrieb gekümmert . . .
Jiresch: Deswegen hat er auch sein Studium nicht abgeschlossen.
Miksits: Deswegen auch. Ich habe viele Gastronomen akquiriert. Viele haben gesagt: „Mit der Dose in der Gastronomie, das funktioniert nie, das kann nur Red Bull.“ Dennoch habe ich im ersten Jahr 60.000 Dosen in der Gastronomie verkauft. Ohne Großhändler. Ich bin zu jedem Lokal gefahren und habe es persönlich hingebracht. In der Gastronomie muss man stark dahinter sein. Viele sagen: „Okay, das testen wir“, und dann steht es hinter der Schank auf dem Boden, und keiner weiß, dass es das gibt. Man muss mit Tischaufstellung arbeiten und mit Werbematerial. Da haben wir uns auch entschieden, mit einer Behindertenwerkstatt zusammenzuarbeiten. Das gehört auch zu unserer Philosophie.

Inwiefern?

Jiresch: Das passt auch zum Thema „Über Geld spricht man“. Viele fragen, ob man darüber überhaupt sprechen soll, wenn man Geld für soziale Zwecke gibt. Wir sagen: ja. Wir zahlen pro Palette, die wir verkaufen, einem Kind einen Monat lang die Schulbildung, in den Ländern, aus denen die Zutaten herkommen. Zum Beispiel Sri Lanka.
Miksits: Der Fair-Trade-Ansatz gehört auch zu unserem Programm. Manche sagen: „Macht doch erst Sozialprojekte, wenn ihr Gewinne habt.“ Aber wenn man Millionengewinne hat, kann man immer leicht sagen, wir machen etwas. Wir haben aber gesagt, wir bauen dieses Konzept des Gebens und Zurückgebens in unseren Businessplan ein. Wir müssen dann eben woanders schauen, dass es hereinkommt.

Hattet ihr zu Beginn finanzielle Unterstützung von außen?

Miksits: 5000 Euro von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Die haben uns geholfen, an der FH Wieselburg eine Testabfüllung machen.
Jiresch: Wir haben auch eine Verpackungsstudie gemacht, welche Verpackung ideal ist. Wir wollten ursprünglich keine Dose. Dann ist herausgekommen, dass die Dose das Produkt am besten schützt. Bei der Flasche bildet sich ein Bodensatz. Die anderen Getränkehersteller nehmen Dosen, weil sie halt Dosen wollen. Aber bei uns ist es am besten für das Getränk. Das muss man auch kommunizieren.
Miksits: Natürlich gibt es Problematiken in der Herstellung, aber die Dose ist zu 99,9 Prozent wiederverwertbar, wenn man sie richtig entsorgt. In einen Lkw kriegt man 80.000 Dosen, bei Flaschen sind es weniger als die Hälfte.

Verstehen das eure ökoaffinen Kunden?

Miksits: Wir müssen viel kommunizieren. „All I need“ ist erklärungsbedürftig. Das ist nicht einfach ein Eistee. Die Leute wissen nicht, dass die Tische hier von einer Behindertenwerkstatt sind.
Jiresch: Auch die Früchte muss man erklären, die Antioxydantien, und warum wir die Zutaten nicht aus der Umgebung holen, sondern dass der globale Ansatz wichtig ist, um den Bio- und Fair-Trade-Gedanken global zu fördern.

Wann habt ihr mit dem Experimentieren aufgehört und das Produkt verkauft?

Miksits: 2010 haben wir mit 4000 Dosen auf dem Naschmarkt eine Verkostung gemacht. Nach der Verkostung haben wir geschaut, ob die Dosen voll oder halbvoll sind, und fast alle waren leer. Und da haben wir gesagt: „Jetzt fangen wir an.“ Im Februar 2011 hatten wir die erste richtige Abfüllung. Da sind wir zur Bank gegangen und haben gesagt: „Wir bräuchten jetzt ein bisschen einen Rahmen, weil wir 150.000 bedruckte Dosen abfüllen müssen.“

Die Bank hat das Geld hergegeben?

Miksits: Ja. Der erste Rahmen waren . . .
Jiresch: 50.000.
Miksits: Mit Besicherung von deinem Vater. Das ist schon lang her.

Ihr könnt jetzt davon leben?

Jiresch: Wir haben beide ein Gehalt, und auch andere, die bei uns mitarbeiten, können davon leben.

Aber Gewinne schreibt ihr noch keine. Wie lange noch?

Miksits: Nicht mehr lang. Wir hoffen, dass wir Ende 2016 in die Break-even-Zone kommen

Ihr habt euch 190.000 Euro über Crowdfunding geholt. Warum das?

Jiresch: Wir wollten keinen Konzern, der sich beteiligt und den das gar nicht interessiert, sondern Privatpersonen, die wirklich hinter dem Produkt stehen.

Ihr habt noch andere kleine Investoren. Das stört euch nicht, dass ihr so viele Beteiligte habt?

Miksits: Es ist natürlich mühsam, wenn man viele Kleine hat.
Jiresch: Aber sie sind uns lieber als ein großer Konzern, der die Firma übernehmen will und uns vorschreibt, wie es zu laufen hat.

Wenn Coca-Cola sich an euch beteiligen wollte und Zugang zu seinem weltweiten Vertriebsnetz anbieten würde, würdet ihr dann nein sagen?

Miksits: Schwierige Frage. Natürlich, um so eine Distribution zu erreichen, braucht man Jahrzehnte . . .
Jiresch: Ich glaube, wir würden das eher nicht machen, denn wir wollen an unserer Philosophie festhalten und uns auch nicht dreinreden lassen, und „All I need“ macht ja genau das aus: dass wir kein Großkonzern sind.
Miksits: Profitmaximierung um jeden Preis ist nicht unser Ansatz.

Zur Person

Thomas Miksits (im Bild links) und Alexander Jiresch haben das Bio-Teegetränk „All I need“ erfunden. Miksits hat davor Betriebswirtschaft studiert und bei Hewlett Packard im Customer Relations Management und als Kellner gearbeitet. Jiresch war Weltreisender und Veggie-Koch und studierte Bildhauerei an der Wiener Kunstschule. Bevor die beiden Gastronomie und Handel mit „All I need“ belieferten, verkauften sie Biosnacks in Automaten.

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