Mouddar Khouja: "Der Arme hat das Recht auf mein Geld"

(c) Bloomberg (Asim Hafeez)
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Die jährliche Spende von 2,5 Prozent des Vermögens sieht Islam-Vertreter Khouja als religiöse Pflicht. Banken lassen aus seiner Sicht viel Geschäft liegen, weil sie nicht am Thema Islamic Banking anstreifen wollen.

Die Presse: Haben Sie eigentlich ein Konto oder ein Sparbuch?

Mouddar Khouja: Ich habe ein Girokonto.

Und bekommen Sie da Zinsen?

Ja, ein bisschen Zinsen gibt es noch. Aber ich versuche sie loszuwerden, weil ich keine Zinsen nehme.

Wie machen Sie das?

Wir haben die Möglichkeit, das Geld an die Armen zu geben. Und genau das mache ich.

Ist es eigentlich möglich, sich in einem Land wie Österreich an alle islamischen Zinsvorschriften zu halten?

Ja. Zwar kann man sich dem nicht zu 100 Prozent entziehen, denn fast überall, wo es um Geld geht, gibt es Zinsgeschäfte. Aber man versucht, bei seiner persönlichen Interaktion mit den Banken davon Abstand zu nehmen oder die Zinsen, die man bekommt, Armen zu geben. Das machen übrigens viele.

Es ist ja nicht nur der Erhalt von Zinsen verboten, sondern auch das Zahlen von Zinsen. Was kann man tun, wenn man sich eine Wohnung kaufen will und einen Kredit braucht?

Es gibt die Möglichkeit des Mietkaufs, wo es keine definitiven Zinsvorgaben gibt. Aber bei diesem Thema gibt es einen Mangel an Produkten in Österreich. Ich bespreche dieses Thema gerade mit einer Bank, die Interesse daran hat.

Ist die Nachfrage nach Islamic Banking nicht groß genug?

Nein, die Nachfrage ist da. Die Banken sind aber nicht sensibilisiert für dieses Kundensegment und nehmen es auch nicht wahr, obwohl wir mittlerweile 600.000 Muslime in diesem Land haben. 80 Prozent sind praktizierend, davon interessieren sich vielleicht 60 Prozent für solche Produkte. Das ist eine große Zahl. Die Banken haben es immer noch nicht realisiert. Zu mir hat einmal ein Bankmanager gesagt, dass man mit religiösen Themen nichts am Hut hat. Dann habe ich ihm das Kundensegment präsentiert – und schließlich war er doch interessiert.

Haben Sie das Gefühl, dass Banken Hemmungen haben, an dem Thema „islamisch“ anzustreifen?

Das ist kein Gefühl, das ist so.

Warum?

Ich möchte nicht spekulativ sein, aber man verbindet Islam mit anderen Themen: Terror, Gewalt. Den Rest sieht man eben nicht. Es gibt in Deutschland Banken, die christlich angehaucht sind, die vieles mit uns gemeinsam haben. Also etwa keine Investitionen in die Porno- oder Rüstungsindustrie. Es ist wichtig, dass man die Banken sensibilisiert und auch die Muslime, dass es viele Möglichkeiten gäbe, wenn man diese Produkte offerierte. Ich bin mir sicher, dass nicht nur Muslime solche Produkte annehmen würden.

Was machen die Leute dann mit ihrem Geld? Haben sie das zu Hause gebunkert oder tragen sie es ins Ausland?

Manchmal bunkern sie es vielleicht unter dem Kopfkissen. Es ist aber leider so, dass viele im ursprünglichen Heimatland Immobilien kaufen. Und damit haben sie ihr hart verdientes Geld nicht sonderlich gut eingesetzt. Denn wozu sollte man eine Immobilie kaufen, in der man nur ein bis zwei Monate im Jahr verweilt?

Zurück zu den Grundsätzen: Warum ist es eigentlich schlecht, Zinsen zu nehmen?

Es gibt einen Grundsatz in der islamischen Jurisprudenz, dass Geld kein Geld vermehren darf. Geld soll im Wirtschaftszyklus bleiben und dort Mehrwert bringen. Das macht man anhand von Projekten, die die Wirtschaft ankurbeln. Wenn jedoch nur mehr auf den Finanzmarkt geschaut wird, dann entstehen eben solche Krisen, wie wir sie 2008 und 2009 hatten. Früher war die Börse auch ein Platz, wo man Produkte ausgetauscht hat. Heute gibt es mehrheitlich Put- und Call-Optionen, das heißt, man spekuliert, ob der Preis in die Höhe geht. Was bringt das eigentlich? Das ist reine Spielerei.

Auch Spekulation hat oft einen realen Hintergrund. Etwa Hedging, damit sich eine Fluglinie wie die AUA gegen einen Ölpreisanstieg absichern kann.

Es ist auch für uns legitim, dass man bestimmte Geschäfte absichern will. Ich kann Ihnen kein komplettes System anbieten. Ich kann Ihnen nur zeigen, wo dieses Zinssystem zu Krisen führt.

Wenn man statt Zinsen Gewinnbeteiligungen auszahlt, ist das nicht Augenauswischerei?

Ich würde es nicht als Augenauswischerei bezeichnen. Es gibt nämlichen einen Unterschied zwischen Krediten mit fixen Zinsen und einer Beteiligung am Geschäft, am Gewinn und am Verlust. Und glauben Sie mir: Das Geschäft wird viel besser laufen, weil beide interessiert sind, dass es gut läuft.

Vor der jüngsten Steuerreform gab es eine heftige Debatte über Vermögenssubstanzsteuern, die dann nicht gekommen sind. Was halten Sie von Reichensteuern?

Ich darf einen anderen Aspekt bringen. Wir haben im Islam Zakat, das ist die dritte Säule . . .

. . . und war der Grund der Frage.

Das bedeutet, dass man von dem Vermögen, das man besitzt und das über den Gegenwert von 81 Gramm Gold hinausgeht, jährlich 2,5 Prozent zahlt. Natürlich kann der Staat weitere Steuern verlangen, wenn er meint, dass die Armen mehr bekommen sollten. Aber beim Zakat geht es darum, dass der Arme ein Recht an meinem Geld hat. Ich besitze eigentlich nur 97,5 Prozent an meinem Vermögen. Den Rest besitze ich nicht. Darüber hinaus kann man auch noch mehr hergeben zur Reinigung des Geldes. Denn vielleicht hat man sich bei einem Geschäft nicht an die islamischen Regeln gehalten.

Klingt nach Ablasshandel.

Nein, das kann man nicht vergleichen. Die Armen haben ein Recht auf das Geld der Reichen.

Man sucht sich aber schon selbst aus, welchen Armen man das Geld gibt?

Ja. Es ist naheliegend, dass man das in seiner Umgebung gibt oder im Land, in dem man sich befindet. Oder wenn man von Krisen weiß, etwa beim Tsunami.

Jedes Jahr muss man das tun?

Ja, viele tun es zum Ramadan. Viele Muslime geben auch mehr. Ich hoffe, alle tun es, aber nicht alle fühlen sich verbunden mit der Religion.

Betrifft das nur Geld, das frei verfügbar ist, oder auch Immobilien oder Geld, das im Unternehmen gebunden ist?

Die Immobilie, die man selbst bewohnt, ist Zakat-frei. Für eine zweite Immobilie in Cannes muss man schon Zakat zahlen.

Und wenn man ein Unternehmen hat und kein Geld?

Dann muss man den Wert berechnen und 2,5 Prozent zahlen.

Es ist also eine Vermögenssubstanzbesteuerung, die in Österreich vielfach abgelehnt wird, weil man sagt, dass sie die Wirtschaft schädigt . . .

Die Armen würden das anders sehen. Ich bin da bei den Armen.

Aber für ein Unternehmen kann das belastend sein, wenn es das Geld nicht hat und einen Kredit aufnehmen muss.

Ein Unternehmen, das zweieinhalb Prozent von der Substanz nicht zahlen kann, dem muss es sehr schlecht gehen. Dann gelten andere Maßstäbe.

Welchen Armen haben Sie den letzten Zakat gegeben?

Ich stamme aus Aleppo in Syrien. Diese Stadt ist zu 60 bis 70 Prozent zerstört worden. Es findet die größte Vertreibung seit dem Zweiten Weltkrieg statt. Wir haben Schulen errichtet, ich zahle monatlich für Essen und Bekleidung. Und viele machen das genauso.

Zur Person

Mouddar Khouja wurde 1966 in Aleppo in Syrien geboren und lebt seit 1985 in Österreich. Der studierte Informatiker ist Generalsekretär der Austro-arabischen Handelskammer und persönlicher Referent des Präsidenten der islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs (IGGiÖ). Unter anderem macht er sich für Islamic-Banking-Angebote stark. Er war Mitbegründer eines Unternehmens, das schariakonforme Mietkauf-Lösungen anbot.

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