Clemens Haipl: "Künstler zu sein ist wie Lotto zu spielen"

Clemens Haipl
Clemens Haipl(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Arm gefühlt hat sich der Kabarettist, Radio-Mann und Musiker nie. Nicht einmal, als er fünf Jahre lang auf ein eigenes Bett verzichtet hat.

Die Presse: In Ihrem jüngsten Kabarettprogramm versprechen Sie eine Antwort auf die Frage, wer uns lenkt. Also bitte: Wer lenkt uns?

Clemens Haipl: Ich bin kein Weltverschwörungstheoretiker, aber ich bin auch nicht naiv. Ich bin sicher, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert. Auch Krisen nützen jemandem, und solang das so ist, wird es sie geben. Geld und Macht lenken uns. Über Jahrtausende haben Gesellschaften so funktioniert, dass der Kaiser oder der Fürst bestimmt hat, was passiert. Wir haben jetzt ein paar Jahrzehnte Demokratie, da ist es ja lachhaft, sich einzubilden, dass alles anders ist.

Wie hat Geld Ihr Leben gelenkt?

Ich fing bei Ö3 an, weil ich einen Synthesizer wollte. Mit meinen ersten 20.000 Schilling auf dem Konto habe ich mir einen gekauft und mich irrsinnig wohlhabend gefühlt. Und aus dem vermeintlichen Nebenjob ist mehr geworden.

Sie waren danach mit „ProjektX“, „Montevideo“ und „Sendung ohne Namen“ eine Zeit lang im TV sehr präsent. Vermissen Sie diese glamourösen Jahre?

Nein, eigentlich nicht. Aber vom Finanziellen her ist es natürlich schon ein Unterschied. Wenn man im Fernsehen ist, glauben die Leute aus irgendeinem Grund automatisch, dass man besser ist. Wir konnten das Audimax füllen– ohne Promotion und ohne je Kabarett gemacht zu haben. Als Normalo-Kabarettist muss du um jeden Zuseher kämpfen. Wenn du im Fernsehen bist, musst du gar nichts machen.

Wie viel verdient der Musiker, Autor, Kabarettist und Medien-Mann Haipl heute denn etwa?

Das traue ich mich gar nicht zu sagen. Es ist einerseits erschreckend wenig und andererseits wieder überraschend viel. Ich habe erschreckend wenig und habe für Jobs schon erschreckend viel bekommen. Wenn man einen Gala-Auftritt für ein Telekomunternehmen absolviert, bekommt man absurd viel Geld für eine halbe Stunde Arbeit. Wenn man ein halbes Jahr an einem Buch schreibt und dann zehn Prozent des Verkaufspreises bekommt, ist es erschreckend wenig. Künstler zu sein ist wie Lotto zu spielen. Man kann nur einen Bestseller landen, wenn man ihn schreibt. Ob das gelingt, weiß man aber nie.

Haben Sie sich früher reicher gefühlt als heute?

Ich bin damals einfach nicht auf die Idee gekommen, dass ich arm sein könnte. Auch dann nicht, als ich fünf Jahre lang kein Bett hatte, weil ich den Platz für ein großes Mischpult geopfert habe. Ich habe auf 39 Quadratmetern gewohnt zu einem Zeitpunkt, an dem ich regelmäßig im Fernsehen war, die Romy und den Salzburger Stier gewonnen habe. Nicht so schlecht für einen 26-Jährigen, aber ich habe gelebt wie ein mittelloser Student und habe nicht im Traum gedacht, dass das zu wenig sein könnte.

Woher kommt dieser Hang zur Genügsamkeit?

Ich habe schon jung mehr verdient, als ich ausgeben konnte. Und ich bin konservativ bei Geld, also keiner, der sofort alles ausgibt. Mein Vater kommt aus einer Arbeiterfamilie, meine Mutter eher aus dem bürgerlichen Milieu. Da habe ich früh gelernt, dass man nicht alles gleich ausgeben darf.

Also nicht zehn Synthesizer zu kaufen, weil es sich ausgeht...

In meiner besten Zeit hatte ich immerhin 17. Aber ich bin einer von denen, die in der Krise viel Geld verloren haben. Mir ist relativ früh Geld übrig geblieben, dann hat mir eine Dame bei der Bank erklärt, ich solle es in Fonds anlegen. Das habe ich gemacht, dann schnell vergessen, und als ich wieder nachgeschaut habe, war ein Drittel weg.

Was haben Sie gemacht?

Ich habe nach der Krise Panik bekommen, dass alles, was ich erspart habe, weg ist. Was macht man dann? Ein Drittel Gold, ein Drittel Immobilien, ein Drittel Cash. Aber da haben alle Berater aufgeschrien: „Auf keinen Fall Gold, das ist auf einem All-Time-High.“ Was ist passiert? Ein halbes Jahr später war es noch einmal mehr wert. Ich habe mir dann eine günstige Eigentumswohnung gekauft. Sie kann wenigstens nicht verschwinden, ich weiß, wo sie ist, und ich habe den Schlüssel.

Wie wichtig ist Ihnen Sicherheit, wenn es um Geld geht?

Wenn ich mir Sorgen mache um Geld, dann nicht, weil ich mehr möchte, sondern weil ich absichern will, was ich habe. Am liebsten würde ich irgendwo eine Versicherung unterschreiben, dass es mir immer so gut geht wie jetzt. Man kann irrsinnig viel Geld zusammensparen und anlegen– und dann kommt eine Krise...

Und heute? Vertrauen Sie heute wieder den guten Ideen der Banken?

Mir bleibt heute nicht viel Geld übrig. Ich habe ganz andere Bedürfnisse als damals. Ich bin verheiratet, habe zwei tolle Kinder und brauche Dinge, an die ich früher nie gedacht habe: ein Auto, eine große Wohnung, genug Geld, um vier Flugtickets zu kaufen statt nur eines. Ich hätte es gern, dass es mir Spaß macht, mit dem Computer am Strand mit Aktien zu jonglieren. Aber das interessiert mich alles nicht.

Gibt es etwas, was Sie beruflich für Geld nicht tun würden?

Ich habe schon einmal Auftritte bei Raiffeisen und bei Microsoft abgelehnt – weiß aber gar nicht mehr, warum. Ich bin nicht grundsätzlich gegen Kommerz. Aber man muss so etwas schon von Situation zu Situation abwägen. Was ich nie machen werde, ist Parteienwerbung. Da wurden wir schon von fast jeder Partei gefragt und haben immer Nein gesagt.

Was ist das Gute am Kommerz?

Kommerz ist ein sehr relativer Begriff. Auf Musik bezogen finde ich es etwa absurd zu sagen, dass Nirvana alternativ wäre, die Millionen Platten verkaufen, und Christl Stürmer mit ein paar hunderttausend Stück ist Kommerz. Wer teilt das ein?

Da geht es doch auch um den Zugang, warum ich etwas mache.

Ich gehe davon aus, dass alle Musiker etwas machen, was ihnen gefällt. Selbst Andreas Gabalier findet das, was er macht, wahrscheinlich leiwand. Das Kommerziellste, was ich gemacht habe, war Werbemusik für eine Schnullerfirma. Diese wollten etwas, das wie Air klingt, also habe ich ihnen so etwas gebastelt. Ich habe auch einmal eine Weihnachtsplatte mit Christopher Just (Star der Electro-Szene, Anm.)gemacht. Ich will immer wissen, wie Sachen funktionieren, also probiere ich sie einfach aus. Das geht bei Musik gut– im Journalismus aber auch.

Und zwar wie?

Ich kann ganz gut Stile imitieren. Und bei meinem neuen Programm „Weltrekord in Busen“ war es mir zu blöd, Pressearbeit zu machen, also habe ich als Gag ein paar Artikel im typischen Stil und Design der unterschiedlichen Zeitungen gefaked und auf Facebook gestellt. Niemand hat sich aufgeregt. Alle haben mir gratuliert: Toll, was für ein Medienecho!

Überlegen Sie sich vor Interviews, welche Schlagzeile Sie gern lesen würden?

Ich überlege mir oft, wie ich dargestellt werden will, aber es misslingt fast immer. Ich kann sehr schlecht jemandem etwas vormachen. Ich würde gern vernünftig, sympathisch und gescheit rüberkommen und merke, dass ich genauso neurotisch und normal wirke, wie ich bin. Ich bin nicht gescheiter und nicht reicher als andere. Ich mache mir die gleichen Sorgen wie jeder andere. Ich habe mir angesehen, was Kollegen in solchen Interviews sagen und will nicht glauben, was sie sagen.

Werden wir oft angelogen?

Ja, davon bin ich überzeugt. Da ich die Leute oft auch privat kenne, weiß ich, dass sie nicht immer so gescheit sind, wie sie da rüberkommen. [ Pauty ]

ZUR PERSON

Clemens Haipl (*1969) ist Autor, Zeichner, Kabarettist und Musiker. Bekannt wurde er durch die TV-Show „Montevideo“ und die Radioshow „Projekt X“. Zudem arbeitet er seit der Gründung als Programmgestalter bei FM4. Jüngst erschien sein Buch „Fifty Shades of Wien“ im Metroverlag (2015). Den Kabarettisten Clemens Haipl gibt es zurzeit gemeinsam mit Rudolf Ehrenreich mit dem Programm „Weltrekord in Busen“ zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2015)

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