Sanierer Grossnigg: "Meine Freunde sind alle in Pension"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Erhard Grossnigg spricht mit der "Presse" über Kündigungen, das Ende von Großzügigkeiten und die Unfähigkeit des heimischen Staates, ausgeglichen zu bilanzieren.

Die Presse: Sie gelten in Österreich als der Sanierer schlechthin. Ein Job mit schlechtem Ruf. Warum eigentlich?

Erhard Grossnigg: Mit dem Thema Sanierung verbindet man, dass es jemandem schlecht geht. Damit will man nichts zu tun haben. Wir haben auch keine gute Kultur im Umgang mit Niederlagen. In den USA findet keiner etwas dabei, wenn ein Unternehmer scheitert. Bei uns ist das eine Tragik.

Sollte man Sanierern hierzulande nicht umso dankbarer sein?

Als Sanierer muss man Kosten anpassen. Man muss Mitarbeiter kündigen oder Großzügigkeiten beenden, und das will keiner.

Sie übernehmen Firmen, die in die Krise geraten sind. Was machen Sie besser als Ihre Vorgänger?

Wirtschaften ist keine Atomwissenschaft. Das ist eine einfache Sache. Man muss mehr einnehmen, als man ausgibt. Wenn ein Unternehmen an vielen Stellen Geld ausgibt und einnimmt und man den Überblick verliert, kommt man in eine Situation, in der man mehr ausgibt als einnimmt. Irgendwann spielt die Bank nicht mehr mit, und dann ist meistens zu spät, um etwas zu tun. Das ist so, wie wenn man auf den letzten Drücker zum Arzt geht.

Gibt es auch Unternehmen, die Sie nicht retten können?

Ja, die gibt es. Man braucht Geld, um eine Firma auf Vordermann zu bringen. Es gibt folgende Möglichkeiten: Der Eigentümer schießt Geld nach, oder man bietet dem Unternehmen durch eine Insolvenz Schutz vor den Gläubigern und saniert es. Aber es gibt Situationen – wir hatten mit der Baumarktkette Praktiker so einen Fall in Deutschland – da kann man nichts machen. Da waren die vertraglichen Gegebenheiten so, dass die Handlungsfähigkeit des Vorstandes nicht mehr gegeben war. Bei Kneissl (Skihersteller) war es so, dass wir das Unternehmen verkauft haben. Die Skiindustrie hat sich massiv verändert. Als Kneissl mir gehörte, wurden weltweit noch neun Millionen Paar Skier verkauft, heute sind es drei Millionen.

Gibt es eine bestimmte Frist, die Sie einer Firma geben, um in die schwarzen Zahlen zu kommen?

Die Frist liegt bei 18 Monaten. In dieser Zeit muss erkennbar sein, dass der Turnaround geschafft ist. Bei der Porzellanmanufaktur Augarten habe ich es aber bis dato noch immer nicht geschafft, ohne finanzielle Hilfestellung durch das Jahr zu kommen. Es hat sich aber auch die wirtschaftliche Lage in Österreich verschlechtert.

Warum?

Weil die Politik nicht bereit ist, Reformen zu machen.

Welche Reformen wären am notwendigsten?

Die vier Hauptthemen sind Gesundheit, Bildung, Pension, Verwaltung. In diesen Bereichen wird Geld ausgegeben. Es ist erbärmlich, wenn man liest, dass 19 Milliarden Euro an Förderungen intransparent vergeben werden. Wir hatten zuletzt 1962 einen positiven Haushalt. Jedes Jahr haben wir seither Verlust gemacht hat.

Könnten Sie sich vorstellen, den Staat zu sanieren?

Natürlich, aber das würde rigorose Maßnahmen bedeuten. Zum Beispiel: Ich bin Aufsichtsratsvorsitzender einer Bank und musste mir ein Führungszeugnis holen. Also gehe ich zum Kommissariat, und da sitzen fünf Herrschaften am Kaffeetisch und sind angefressen, dass ich um acht Uhr komme und sie beim Frühstücken störe. Die haben alle fünf nichts zu tun.

Würden Sie diese Leute rausschmeißen, wenn sie in einem Ihrer Betriebe arbeiteten?

In einem Haushalt muss man sein Budget anpassen, etwa wenn es nur ein Einkommen gibt oder Kinder da sind. Nur der Staat muss das offenbar nicht.

Wie geht es Ihnen, wenn sie 50 Mitarbeiter kündigen müssen?

Wenn es 500 Mitarbeiter gibt, muss man überlegen: Rette ich für 450 den Arbeitsplatz oder nicht?

Sie retten mehr Jobs, als Sie abbauen?

Ich habe zwar Tausende Mitarbeiter gekündigt, aber auch Tausende eingestellt.

Sie haben bei einer US-Bank Karriere gemacht. Warum sind Sie nicht Banker geblieben?

Ich wollte immer selbstständig sein. Ich bin so erzogen, ich komme aus einer Gastwirtschaft. Als Kinder mussten wir mitarbeiten, insbesondere am Wochenende, als die anderen Fußball spielten. Mein Studium wollte ich mir selbst finanzieren und nicht von meinen Eltern abhängig sein. Das war immer mein Drang. Als ich bei der Bank Karriere gemacht habe, wollte ich keine Zeit aufwenden, um jemandem in Amerika zu erklären, warum ich einem Unternehmen in Deutschland einen Kredit gewähre, wenn der gar nicht versteht, wie die Wirtschaft dort läuft. Das war mir nicht effizient genug. Dann habe ich die erste Möglichkeit ergriffen, selbstständig zu werden.

Wie haben Sie das finanziert? Mit Kredit?

Nein, ich habe sehr gut verdient in der Bank. Und als ich mich dann selbstständig gemacht habe, habe ich nichts mehr verdient. Das hat ein paar Jahre gedauert, bis ich wieder angemessen verdient habe.

Jetzt sind Sie an zahlreichen Firmen beteiligt. Haben Sie noch mehr Übernahmeziele?

Wir haben über die Grosso Holding und die Austro Holding 15 bis 20 Beteiligungen, S&T, die Westbahn, Augarten. Wir haben bei Ankerbrot die Mehrheit, wir haben Bene gekauft. Als begeisterter Linzer und LASK-Anhänger habe ich mich kürzlich an der LASK-Marketinggesellschaft beteiligt. Damit werde ich aber kein Geld verdienen.

Bei Bene gehen einige Aktionäre gegen ihren Ausschluss vor. Ärgert Sie das?

Wir haben den Squeeze-out gemacht, weil Bene aus meiner Sicht keine Börsenberechtigung hat. An die Börse geht man, wenn man Geld braucht. Als Bene an die Börse gegangen ist, haben ein paar Leute gutes Geld damit verdient. Die vielen, die gekauft haben, sind übrig geblieben. Jetzt argumentieren sie, dass der Squeeze-out zur Unzeit kommt, weil mit unserem Geld die Firma wieder reich wird, und da wollen sie partizipieren. Aber zuerst haben sie jahrelang zugeschaut, wie das Unternehmen Verluste gemacht hat. Warum haben sie nichts getan? Aber über so etwas ärgere ich mich nicht.

Was bedeutet Geld für Sie?

Geld hat für mich schon lang keine Bedeutung mehr. Ich kann mir schon lang alles leisten, was ich mir leisten will. Ich gebe aber für mich nicht viel Geld aus. Ich hatte immer kleine Autos, weil ich nicht mit einem Mercedes sanieren gehen wollte. Aber als ich sechzig war, war es mir wurscht. Da habe ich einen Jaguar gekauft. Ich fahre auch Oldtimer und sammle Kunst. Geld ist ein Zeichen, dass man etwas erreicht hat. Wirklich wohlhabende Menschen protzen aber nicht mit ihrem Geld.

Denken Sie an Rückzug?

Ich habe mich so organisiert, dass ich alle meine Mandate mit Erreichung des 70. Lebensjahres zurücklege. In den Stiftungen werde ich noch bleiben. Ich bin jeden Tag um halb sieben im Büro. Ich arbeite gern. Aber in einem Unternehmung sollte der Rechtsvorgänger nicht das Nachfolgeproblem auslösen. Die Jungen denken und arbeiten anders. Meine Freunde sind längst alle in Pension.

ZUR PERSON

Erhard Grossnigg (*1946) hält über die Grosso Holding und die Austro Holding Beteiligungen, etwa am IT-Spezialisten S&T, der Westbahn, der Semper Constantia Privatbank, am Büromöbelhersteller Bene, an Ankerbrot. Grossnigg war bei der Chase Manhattan Bank tätig, bevor er selbstständig wurde und sich als Sanierer einen Namen gemacht hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2016)

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