Wohnen wird teurer, Ursachen sind umstritten

(c) Bilderbox
  • Drucken

Kaufpreise ziehen den Mieten davon. Bei Letzteren wachsen die Unterschiede zwischen Alt- und Neuverträgen.

Wien. Die Österreicher sind eine Nation der Mieter: Rund 40 Prozent der Haushalte wohnen zur Miete. Das ist zwar die Minderheit, im internationalen Vergleich aber hoch. Als Hauptmotiv, warum man lieber mietet, als Eigentum erwirbt, gaben die Befragten bei einer Umfrage der S-Real die mangelnden finanziellen Möglichkeiten zum Erwerb von Eigentum an (42 Prozent). Andere Gründe waren die „aktuelle Lebensphase“ (26 Prozent) sowie die größere Flexibilität und Freiheit, über die man als Mieter verfügt (22 Prozent). Tatsächlich laufen die Eigentumspreise den Mieten davon– vor allem in den Ballungszentren. Doch auch die Mieten steigen, vor allem für Neumieter.

Zwischen 2005 und 2012 sind die Kaufpreise in Wien um acht Prozent pro Jahr, die freien Mieten um 3,6 Prozent, die Richtwertmieten um 3,2 Prozent jährlich angestiegen– und damit jeweils stärker als die allgemeine Teuerungsrate von 2,1 Prozent. Und während Altmieter, die vor 1994 ihren Mietvertrag abgeschlossen haben, durchschnittlich drei Euro netto pro Monat und Quadratmeter zahlen, müssen Richtwertmieter doppelt so tief in die Tasche greifen. Gemeinde- und Genossenschaftsmieter liegen dazwischen.

Die Ursachen für die steilen Anstiege bei Preisen und neuen Mieten sind umstritten– ebenso wie die Lösungsvorschläge. Die Experten des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria verweisen in einer Studie auf die wachsende Bevölkerung, die sinkenden Haushaltsgrößen und die Veränderung der Qualitätsansprüche: Fanden Haushalte im Jahr 2001 im Schnitt noch mit 90,4 Quadratmetern das Auslangen, so waren es zehn Jahre später fast 100 Quadratmeter.

„Mietobergrenzen helfen Reichen“

Im Schnitt sei Wohnen in Österreich aber relativ gut leistbar, meinen sie: Laut Statistik Austria geben die Österreicher 23,7 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen aus. Das unterste Einkommensviertel muss allerdings mit 33,9 Prozent tiefer in die Tasche greifen als das oberste mit 16,5 Prozent. Doch orten die Studienautoren eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen Altmietern und neuen Mietern im Richtwertsystem (den Richtwert zahlt man meist im Altbau bei Mietverträgen, die nach 1994 abgeschlossen wurden). Der Richtwert ist je nach Bundesland unterschiedlich hoch, in Wien ist er mit 5,16 Euro netto pro Monat und Quadratmeter der zweitniedrigste in Österreich. Doch können Vermieter Zuschläge für Lage und Ausstattung verlangen, was vor allem in Wien auch häufig passiert.

Ginge es nach der Arbeiterkammer, sollte man diese Zuschläge mit 20 Prozent des Richtwerts begrenzen. Bei der Agenda Austria kann man, wie berichtet, dem Vorschlag wenig abgewinnen: Obergrenzen würden primär Besserverdienenden zugutekommen, da sie sich vor allem in guten Lagen stark auswirkten. Lieber sollte man private Investitionen in den Wohnungsneubau attraktiver machen, vom Richtwertsystem abgehen und ein System ähnlich wie in Deutschland einführen. Dort richtet sich die zulässige Miethöhe nach den Vergleichsmieten in der Umgebung. Sozial Bedürftige sollte man lieber direkt unterstützen („Subjektförderung“).

Forderungen, die AK-Präsident Rudi Kaske „zynisch“ findet. Wohnen in Österreich sei keineswegs gut leistbar. „Familien mit kleinem Einkommen geben fast die Hälfte davon nur für die Grundbedürfnisse aus“, klagte Kaske in einer Aussendung und forderte eine Begrenzung der privaten Mieten. Im privaten geregelten Mietenbereich wohnen nur 15Prozent der Mieterhaushalte (der Rest entfällt auf Gemeinde-, Genossenschaftswohnungen, frei finanzierten Neubau etc.).

Weiter „moderate“ Preisanstiege

60 Prozent der heimischen Haushalte leben in den eigenen vier Wänden. Wer Eigentum bevorzugt, will laut der S-Real-Umfrage primär laufende Kosten sparen (55 Prozent). 23Prozent wollen für das Alter vorsorgen, 14Prozent Geld anlegen, fünf Prozent erhoffen sich eine Wertsteigerung.

Diese könnte in den kommenden Jahren nicht mehr ganz so üppig ausfallen wie zuletzt, umkehren dürfte sich der Preistrend aber kaum. Sandra Bauernfeind, Leiterin der Wohnabteilung bei EHL Immobilien, rechnet für heuer mit „moderaten Preisanstiegen“. Die Preise würden sich auf hohem Niveau einpendeln. Die Maklerin ortet aber Indizien dafür, dass sich der Preisauftrieb abschwächt: Die Vermarktung einer freien Wohnung habe 2013 etwas länger gedauert als in den Jahren davor. Aufgrund der hohen Preise würden die potenziellen Käufer auch höhere Ansprüche stellen.

Zu ähnlichen Erkenntnissen war kürzlich das Maklernetzwerk Remax gekommen: Die Zahl der Immobilientransaktionen ist rückläufig, im Vorjahr wechselten nur 80.000 Immobilientransaktionen in Österreich den Eigentümer. Von 2010 bis 2012 hatte es in keinem Jahr weniger als 90.000 Transaktionen gegeben. Einen Grund sieht man in der Zurückhaltung der Anleger (wer anlegen wollte, hat das bereits getan), einen anderen darin, dass sich viele Haushalte Eigentum angesichts der stark gestiegenen Preise nicht leisten können– und daher mieten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.