EU ermöglicht "Konto für jeden"

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Ab 2016 soll jedem Bürger der Europäischen Union das Recht auf ein eigenes Bankkonto eingeräumt werden. Wie genau dieses aussieht, können aber die Mitgliedstaaten entscheiden.

Wien. In Deutschland herrscht helle Aufregung. Denn Verbraucherminister Heiko Maas hat kürzlich angekündigt, jedem deutschen Bürger den Zugang zu einem Bankkonto gewähren zu wollen – und zwar so rasch wie möglich. Die Idee stammt jedoch nicht aus der Feder des SDP-Politikers. Sie kommt schlicht und ergreifend aus Brüssel.

Bereits im heurigen Frühjahr hat die EU eine Richtlinie auf den Weg gebracht, derzufolge jedem EU-Bürger das Recht auf ein Girokonto eingeräumt wird. Die einzelnen Mitgliedsländer haben nun Zeit, die Vorgabe bis 2016 umzusetzen.

Über kein eigenes Konto verfügen laut Arbeiterkammer schätzungsweise bis zu 150.000 Personen (andere sprechen von 40.000). Etwa, weil kein fester Wohnsitz vorhanden ist oder ein negativer Eintrag beim Kreditschutzverband vorliegt. Als ob das Leben dann nicht schon schwer genug wäre, ist man damit praktisch auch noch vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen. Wiewohl zum Beispiel das Arbeitsamt Transferleistungen noch via Post zustellt.

Damit der Weg in das „normale“ Leben aber wieder gelingt, hat sich die EU nun zum Handeln entschlossen. Die Richtlinie aus Brüssel sieht etwa vor, dass das „Konto für jeden“ normale Zahlungen abwickeln oder die Durchführung von Lastschriften erlauben soll. Auch eine Bankomatkarte könne angeboten werden.

„Wir stehen ganz am Anfang dieses Prozesses“, sagt Franz Rudorfer, Bankenvertreter in der Wirtschaftskammer. Die EU lässt den Staaten aber einige Freiräume. Etwa bei der Frage, ob Spesen eingehoben oder ein Kredit in Verknüpfung mit dem Konto gewährt werden darf.

Ausreichende Abdeckung nötig

„Unser Wunsch ist, dass man die Konten hierzulande auf Habenbasis führt“, erklärt Rudorfer. Das sollte wohl auch im Sinn der Kunden sein, damit diese nicht in die nächste Schuldenfalle tappen.

Geplant ist ebenso, die Konten kostenpflichtig zu machen. Rudorfer spricht hier jedenfalls von einem „angemessenen Preis“. Wie teuer die Kontoführung tatsächlich ausfallen wird, kann aus heutiger Sicht freilich niemand seriös beantworten. Da der Funktionsumfang der Konten aber geringer sein wird, dürfte sich auch der Preis in Grenzen halten.

Zunächst müsse die Richtlinie ohnedies im Amtsblatt erscheinen, das soll im September der Fall sein, sagt Rudorfer. Dann habe man noch 24 Monate lang Zeit, das Ganze zu realisieren.

Unklar ist auch noch, welche Banken mit der Umsetzung der EU-Vorgabe betraut werden. Denn die Brüsseler Behörden sprechen lediglich von einer „ausreichenden“ Versorgung. „Ich gehe davon aus, dass die großen Banken in der ein oder anderen Form dabei sein werden“, sagt Rudorfer. „Wir werden sicher auf eine starke Abdeckung kommen.“

Institute wie Bawag oder Bank Austria bieten schon jetzt Konten für Menschen an, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Die Zweite Sparkasse, die zur Erste Bank gehört, ist hier ebenso aktiv. Aber: „Jemand, der eine Kontoverbindung von der Zweite Sparkasse hat, bekommt sofort einen gewissen Stempel aufgedrückt“, kritisiert Bernd Lausecker vom Verein für Konsumenteninformation. Mit dem Recht auf ein Konto bei quasi jeder Bank werde das hingegen unterlaufen.

Probleme in anderen Ländern?

Angaben der EU-Kommission zufolge haben mehr als 58 Millionen Menschen keine Bankverbindung. Jährlich würden Geldhäuser rund 2,5 Millionen Anträge auf Eröffnung eines Kontos ablehnen. Rudorfer betont, dass Österreich sicher nicht Anlass dieses Gesetzes gewesen sei. In Rumänien sehe die Lage da wesentlich schlechter aus. Dort ist ein großer Teil der Bevölkerung ohne Bankverbindung. Ob das für Institute, wie die in dem Land stark vertretene Erste Bank, zu einem großen Thema werden könnte, lässt sich nicht abschätzen. Bei dem Geldhaus betont man, dass es dafür einfach noch zu früh sei.

Auf einen Blick

Das Recht auf ein Konto soll künftig jedem EU-Bürger unabhängig von seiner finanziellen Situation eingeräumt werden. Brüssel hat eine entsprechende Richtlinie bereits im Frühjahr auf den Weg gebracht. In zwei Jahren müssen die Mitgliedstaaten die Vorgaben umgesetzt haben. Die Bürger sollen dafür ein Konto mit den wichtigsten Funktionen erhalten; ob die Banken dafür Spesen verlangen dürfen, entscheiden die einzelnen Länder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2014)

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