Hunderte Kinder wurden in Rotherham in den vergangenen 13 Jahren vergewaltigt und entführt. Die Behörden sollen nur zögerlich dagegen vorgegangen sein. Der Rücktritt des Polizeichefs wird gefordert.
Im britischen Rotherham in South Yorkshire sind in den Jahren 1997 bis 2013 bis zu 1400 Kinder und Jugendliche Opfer sexueller Gewalt geworden. Wie aus einem Bericht der Kommunalverwaltung hervorgeht, wurden Mädchen und Buben vergewaltigt, entführt, geschlagen und eingeschüchtert. Nun werden Rücktrittsforderungen gegen führende Polizeibeamte laut. Polizeichef Shaun Wright hat um Entschuldigung gebeten.
Polizeichef will im Amt bleiben
"Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß, dann hätte eindeutig mehr getan werden können", sagte Shaun Wright am Mittwoch dem Sender Sky News. Wright war im Stadtrat von 2005 bis 2010 für den Kinderschutz zuständig. Nachdem am Dienstag das Ausmaß der sexuellen Ausbeutung in der nordenglischen Stadt bekannt geworden war, hatten mehrere Stadträte und die Labour-Partei seinen Rücktritt gefordert.
"Ich kann nur sagen, dass das für die Polizei in South Yorkshire höchste Priorität hat", sagte der Polizeichef. Das werde auch so bleiben, so lange er den Posten innehabe. Sein Amt niederzulegen, lehnte er ab. Der Vorsitzende des Stadtrats von Rotherham, Roger Stone, war bereits am Dienstag zurückgetreten. Ein Regierungssprecher in London nannte das Versagen der lokalen Behörden "erschreckend".
Einige der Täter dürften seit Jahren in Haft sein: Im Jahr 2010 war eine fünfköpfige Bande von Kinderschändern mit pakistanischen Wurzeln zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Damals war allerdings von einer weit geringeren Zahl von Opfern die Rede gewesen. Die Kommunalverwaltung hatte dann die nun abgeschlossene Untersuchung in Auftrag gegeben, um das wahre Ausmaß der Verbrechen in Erfahrung zu bringen.
Brutale Vorgehensweise
Der Bericht übt heftige Kritik an den Behörden: Warnhinweise seien ignoriert worden, die Polizei habe den Ermittlungen keine Priorität eingeräumt, den Opfern sei Geringschätzung entgegengebracht worden. Gemeinderatschef Roger Stone der 250.000-Einwohner-Stadt trat nach der Veröffentlichung des Berichts umgehend zurück.
Die Untersuchung zeichnet ein brutales Bild vom Vorgehen der Täter. Zum Teil wurden erst elfjährige Kinder misshandelt. Die Opfer wurden teils mit Benzin übergossen und mit dem Anzünden, aber auch mit Schusswaffen bedroht. Die Rede ist auch von Gruppenvergewaltigungen und Verschleppungen in andere englische Städte. Laut BBC schilderte ein Opfer der Autorin des Berichts, dass Gruppenvergewaltigungen etwa zum "normalen" Aufwachsen in Rotherham gehört hätten.
Einer der Gründe, warum die Behörden nicht reagierten, war die Angst vor dem Vorwurf, rassistisch zu agieren, denn bei den Tätern soll es sich um "viele verschiedene Männer" mit meist asiatischer Herkunft handeln. Vielen Polizisten sei offenbar vorgeschrieben worden, Strafhandlungen nicht zu erwähnen oder sie ließen aus Furcht vor Diskriminierungsvorwürfen nicht aktenkundig werdne. Ob es nach der Veröffentlichung weitere strafrechtliche Ermittlungen geben wird, ist noch offen. Weiters ist noch unklar, ob es sich um organisierte Pädophilenbanden handelte und warum es bei den vielen Fällen keinen Aufschrei aus der Bevölkerung gab.
Rücktritt von Polizeichef gefordert
In der nordenglischen Stadt Rotherham gibt es Rücktrittsforderungen gegen führende Polizeibeamte. Der Untersuchungsbericht der Professorin Alexis Jay hatte am Dienstag schwere Fehler in der Kommunalverwaltung offenbart, die das Ausmaß des Missbrauchs von jungen Mädchen aus sozial schwachen Milieus offenbarte.
Am Dienstag war bereits Stone zurückgetreten. Am Mittwoch forderten mehrere Stadträte auch den Rücktritt von Polizeichef Shaun Wright, der bis 2010 für den Kinderschutz zuständig war.
(APA/dpa/Red.)