Kein Abend der Protztöne

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In "Eugen Onegin" zeigen Peter Mattei und Maija Kovalevska, dass subtile Gesten stärker wirken als große Ausbrüche.

„Äußerlich, mein gutes Kind, äußerlich bist du glatt und geleckt, ja, aber innerlich, mein gutes Kind, da bist du schwarz ...“ Was der schrullige Lehrer Stengel mit seiner merkwürdigen Aussprache (er sagt „äußelich“ und „swäz“) in Thomas Manns „Buddenbrooks“ über einen Schüler von sich gibt, es passt auch auf den rätselhaften Eugen Onegin – zumal dann, wenn ein Darsteller vom Range eines Peter Mattei Puschkins und Tschaikowskys unseligen und so schwierig glaubhaft zu machenden Titelhelden auf die Bühne stellt.

Vor vier Jahren hatte der groß gewachsene Schwede sein Hausdebüt an der Staatsoper in Falk Richters Eis- und Schnee-Inszenierung gegeben, gleichfalls als Onegin und mit der jugendlich hell und schlank klingenden Maija Kovalevska als Tatjana. Damals schien er zunächst die melancholische Müdigkeit der Figur hervorzukehren, nun trat er eher als wahrhaft blasierter Dandy auf, der für ihre hervorbrechende Liebe, die er nicht erwidern kann, bloß herablassendes Tätscheln übrig hat. Erst, als sie einen anderen geheiratet hat (der junge Jongmin Park singt den Gremin mit großer Noblesse, wenn auch noch etwas magerer Tiefe), greift er sich plötzlich an die Brust, als entdecke er darin ein bisher nicht vorhandenes Herz.

Der größte Kollateralschaden auf dem holprigen Weg Onegins zu Empathie und seinen eigenen Gefühlen ist die Freundschaft zu Lenski, ja sogar dessen Leben: Ihr Duell ist hier ein tragischer Unfall. Charles Castronovo sang den verzweifelten Dichter nicht allzu aufbrausend beim Eklat auf dem Fest, sondern gab mit seinem eher matten, dunklen Timbre vielmehr den tief Verletzten – und klagte mit verinnerlichten Phrasen über die entschwundene Jugendzeit.

Dunkel timbrierter Lenski

Ein Abend effektvoll platzierter Protztöne war es nicht – und das ist gut so bei Tschaikowskys ausdrücklich „Lyrische Szenen“ genannter Oper, die unter der aufmerksamen, federnden Leitung von Louis Langrée von Chor und Orchester stimmungsvoll ausgebreitet wurden; kleine Streicherholperer in den rezitativartigen Abschnitten störten nicht weiter. Auch Matteis Reserven sind ja nicht unerschöpflich, doch er ist ein Meister der Subtilität. Olga Elena Maximova und Einspringer Norbert Ernst als bewährter wie vergnüglicher Popstar-Triquet führten das übrige Ensemble an. Laute Dankbarkeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2015)

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