Abschiede

Journalisten sind sentimentale Menschen und hassen Abschiede. Darum haben sie einen Kollektivvertrag, der Abschiede nicht unnötig attraktiv macht. Aber es passiert trotzdem.

Ideologisch passt zwischen Thomas Seifert und die „Presse“-Chefredaktion etwas mehr als ein Stück Löschblatt. Einig waren wir uns aber immer in der Überzeugung, dass journalistische Qualität und Professionalität absoluten Vorrang vor der Ideologie haben müssen. Wir haben während der knapp sechs Jahre, die Seifert zum „Presse“-Team gehört hat, oft kontroversiell debattiert, wir haben aber auch immer gewusst, was uns verbindet.

Jetzt wechselt Thomas Seifert als Außenpolitik-Chef und stellvertretender Chefredakteur zur „Wiener Zeitung“. Zum Abschied hat er uns noch ein Geschenk gemacht: Das von ihm betreute Projekt „Reporter 11“ hat beim Young Readers Award des Weltzeitungsverbandes WAN-IFRA eine „Special Mention“ in der Kategorie „Making the news“ eingeheimst. Ein Jurymitglied sagte: „I would dream about doing this myself. This project was trying to make journalism sexy again, and finding talent is increasingly difficult for newspapers.“ Julia Warnick und Wieland Schneider werden diese Talentsuche ganz in Thomas' Sinn weiterführen.

Auch ein gern gesehener Gast in der „Presse am Sonntag“ verabschiedet sich – und zwar für ein Jahr in Bildungskarenz: Boris Jordan von FM4 hat zusammen mit „Presse“-Feuilletonchef Thomas Kramar insgesamt 162 aktuelle, oft noch gar nicht auf CD erhältliche Songs ausgesucht und darüber kluge Essays geschrieben und im Radio verlesen. Kramars Ingrimm darüber, dass seine eigenen Kolumnen viel kürzer waren, ist Legion. Jordans Vertretung übernimmt der mit jeder Verästelung des Baums der Popmusik vertraute Philipp L'Heritier.

Die Liste aller bisherigen Songs der Woche, die mir Thomas Kramar kürzlich übermittelte, hat mich einigermaßen verstört.

michael.fleischhackerdiepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.