Der Hahnenschrei als Weckruf: Wie aus Feigheit Loyalität wurde

Wer um seine Schwäche weiß und damit rechnet, kann genau dadurch Stärke entwickeln.

Hin und wieder bin ich mit einem Kollegen im Auto unterwegs. Er fährt gut und doch irgendwie zu langsam. Bei seinen Fähigkeiten und bei der Stärke seines Autos wäre mehr drin. Das sagte ich ihm auf einer langen Fahrt. Da erzählte er eine Geschichte. Als Student hatte er einmal ein paar Stunden das Auto seines Vaters haben dürfen, zum ersten Mal ohne Begleitung. Er fuhr sofort zu Freunden, er wollte ihnen mit dem tollen Auto imponieren.
Die jungen Leute machten eine Spritztour, er fuhr weit über seine Verhältnisse, sie kamen ins Schleudern. Nur tausend Schutzengel bewahrten sie vor der Katastrophe. Den Blick in den Abgrund, dieses Bild bringe er aus seinem Kopf nicht mehr weg. Er wisse, dass er gern blende. Das lasse ihn manchmal zurückhaltender sein, als ihm zumute sei, nicht nur beim Autofahren.

Der Blick in den Abgrund wirkt wie der Hahnenschrei bei Petrus. Er gehört zum engsten Kreis eines Menschen, der verurteilt, misshandelt und getötet werden wird. Jesus gab Simon den Namen Petrus, Fels, weil er auf ihn baut, für alle Zukunft. Jesus macht ihm das Risiko klar. „Du willst für mich dein Leben hingeben?“
Ja, Jesus mutet Petrus eine große Verantwortung zu, wiewohl er seinen Charakter gut kennt: „Du wirst mich dreimal verleugnen.“ Petrus ist ein ängstlicher Typ. Die Feigheit wird ihn gelegentlich zu Fall bringen. Jesus weiß genau um die Schwäche dessen, dem er die Verantwortung übergibt.
Ist damit nicht eine grundsätzliche Neigung der Menschen, die Leitungsaufgaben erhalten, ausgedrückt? Nach oben kommen selten kantige, eher angepasste Typen. Verständlicherweise, so wird das Risiko gering gehalten. Allerdings auch die Chance, dass die Zielsetzung eines Unternehmens erreicht wird.
Ein Hahnenschrei bewahrt schließlich den ersten Papst vor dem totalen Versagen. Petrus gehen die Augen auf. Er weiß von nun an mit seiner persönlichen Schwäche umzugehen. Wenn es darauf ankommt, muss er mehr Mut als Vorsicht beweisen, um gegen seine Ängstlichkeit anzukämpfen. Er kann nun realistisch mit sich umgehen und wird gerade deshalb eine menschlich starke Führungsgestalt.

»Amen, amen, das sage ich dir: Noch bevor der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
«

Joh 13, 38b


So wie Petrus Jesus dreimal verleugnete, so beweist er ihm schließlich dreimal seine Freundschaft. „Herr, du weißt alles. Du weißt auch, dass ich dich liebe.“ Die Haltung der Feigheit ist in Loyalität umgeschlagen, er ist über sich hinausgewachsen.

Der feige heilige Petrus hat eine frohe Botschaft für eine Zeit, in der Kirche und Politik und auch Freundschaften nach Persönlichkeiten rufen, mit Handschlagqualität und eigener Meinung.

Es ist eine Hilfe, wenn Verantwortungsträger ihr eigenes Versagen nicht vergessen. Wer um seine Schwäche weiß und damit rechnet, kann genau dadurch Stärke entwickeln.


Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentliches Rundschreiben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskräfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.

E-Mails: debatte@diepresse.com

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