„Graf steht eindeutig links vom Hitler!“

Vielen gilt die klare Abgrenzung gegenüber rechts außen als überzogen.

Michael Fleischhacker meint in seinem Kommentar vom letzten Samstag: „Strache gewinnt mit Haiders Spiel“. Und er nennt einige gute Gründe, weshalb die „jenseits der Anstandsgrenze“ (© Fleischhacker) angesiedelte FPÖ-Hetze auf fruchtbaren Boden fällt: das Aufgreifen von „heißen“ Problemen, auf die die großen Parteien keine überzeugende Antwort haben, das Spiel mit den realen Ängsten der Globalisierungs- und Krisenverlierer.

Doch Fleischhacker irrt mit seiner ständig wiederkehrenden, dadurch aber nicht richtiger werdenden Einschätzung der Gegenstrategie: Denn für ihn ist die „Wenderegierung“ des Jahres 2000 kein Verstoß gegen die „demokratischen Werte“, er hält die „Ausgrenzungs“-Strategie gegen die braun-blauen Kräfte für gescheitert und nur für ein „parteipolitisches Kalkül unter dem Deckmantel der moralischen Empörung“.

Nein, die konsequente Ablehnung von Politikern wie Martin Graf hat etwas zu tun mit politischen Grundsätzen und nicht mit Parteitaktik. Da hat uns Europa viel voraus. Für die Schwesterparteien von SPÖVP in Europa gibt es nämlich bei allen Differenzen eine Schamgrenze, die nie überschritten wurde: den Pakt mit der extremen Rechten. Ob in Frankreich, Belgien oder Deutschland – rechtsextreme Parteien waren dort zum Teil noch erfolgreicher als die FPÖ. Aber in diesen Ländern wurde gegenüber den Rechtsextremen ein politischer Cordon sanitaire errichtet, gab es gegenüber rechts außen keine verwaschene „Position der Mitte“ wie bei uns. Mit Front National, Vlaams Belang oder den Republikanern und der NPD wird dort nicht paktiert.

Wer den Grünen nun vorwirft, gemeinsam mit der FPÖ Gesetze beschlossen oder Graf zu einem Ausschussvorsitzenden gewählt zu haben, verkennt die Dimension. Die Verweigerung im Parlament wäre – sehr zum Gaudium der Regierung – die Selbstfesselung der Opposition: Zwischen der Wahl in eines der höchsten Staatsämter und einer Mehrheitsbildung für konkrete Inhalte ist ein fundamentaler Unterschied.

„Niederlegung der Aufregung“

In Österreich gilt vielen die klare Abgrenzung gegenüber rechts außen als überzogen. Da gibt es zwar pflichtschuldigen Protest, wenn ein Dritter Nationalratspräsident den Repräsentanten der jüdischen Glaubensgemeinschaft mit dem „gewalttätigen linken Mob auf den Straßen“ in Verbindung bringt und fragt, ob er „nicht als Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus bezeichnet werden sollte“, oder wenn mit der Parole „Abendland in Christenhand“ sowohl antisemitische als auch antiislamische Stimmungen geschürt werden, denen am „Tag der Abrechnung“ durchaus die Tat folgen könnte. Aber ein klares Bekenntnis, dass Angehörige einer solchen Partei in den höchsten Ämtern eines demokratischen Gemeinwesens nichts verloren haben, gibt es nicht.

In ihrer Hilflosigkeit verlangen Faymann & Co. wieder einmal verstärkte „antifaschistische Aufklärungsarbeit“ in den Schulen. Nein, die Schule kann es nicht richten, die Jugendlichen sind nicht unser größtes Problem. Das sind rote und schwarze Politiker, die keinen Genierer haben, mit den extremen Rechten zu paktieren, augenzwinkernd sogar Koalitionen mit den Blauen nicht ausschließen und ungerührt einen Martin Graf in eines der höchsten Ämter der Republik wählen. Unser Problem ist eine ÖVP, die einen unglaublich peinlichen Eiertanz aufführt, wenn es um die Schaffung einer Möglichkeit zur Abwahl Grafs geht. Oder hält es Josef Pröll tatsächlich mit den Polit-Kabarettisten von den „Biermösl Blosn“, die am Montag im Burgtheater dem Vizekanzler zur „Niederlegung der Aufregung“ die Worte in den Mund gelegt haben: „Immerhin – politisch steht Graf eindeutig links vom Hitler“!

Dr. Harald Walser
Abgeordneter zum Nationalrat, Bildungssprecher im Grünen Parlamentsklub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2009)

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