Frontnachrichten aus dem Kulturkampf

»Don Jon«. Ein neuer Film illustriert die These des Philosophen Roger Scruton: Pornografen riskieren, die Liebe zu verlieren – in einer Welt, in der nur die Liebe glücklich macht.

Im gerade gestarteten Film „Don Jon“ hat ein Pornosüchtiger eine intime Begegnung mit einer Romantikerin, die dann doch nicht so intim ist: Die Frau fühlt sich dabei, als ginge es gar nicht um sie, sondern als sei sie nur Hilfe zur Selbstbefriedigung. Sprechen wir also über ein Tabuthema: die Folgen der Pornografie.

Es ist ja gut erforscht, wie Pornografie in unserem Hirn wirkt. Wie sich die neuronalen Systeme von Erregung und Belohnung umprogrammieren: Die Fixierung auf die Pornofantasie wird stärker, der Appetit darauf stärker – und die Reize, die der eigene Partner auslöst, werden schwächer. In seinem Weltbestseller „The Brain That Changes Itself“ schreibt der Psychiater Norman Doidge, dass viele das auszugleichen versuchen, indem sie sich beim Sex mit dem Partner in Pornofantasien versetzen. Auf die Dauer vertieft das natürlich das Problem nur.

Ich denke, Pornografie ist ein Beziehungskiller erster Güte. Die Suchtphänomene wirken darauf hin, dass die Lust, die Liebe und die beiden Körper keine Einheit mehr bilden können. Sex hat man nicht mehr gemeinsam, sondern nur noch gleichzeitig. Doidges Pornosuchtpatienten erzählen, dass sich ihr Reiz verlagere – vom „making love“ zum bloßen „fucking“.

Es war wohl nie leicht, Sex als echten Begegnungsort zweier Seelen dauerhaft zu kultivieren. Aber genau das ist ein Fundament einer erfüllten Partnerschaft. Und die leichte Verfügbarkeit von Pornografie hat es noch viel schwerer gemacht. Aber Pornografie ist nur die Suchtvariante eines Phänomens, mit dem wir erst zurande kommen müssen. Der normale Mensch wird nämlich erstmals in der Geschichte auf Schritt und Tritt durch fremde Bilder stimuliert. Auf Plakatwänden, in der Zeitung, in fast jedem Film wird die Libido gezielt zum Schwingen gebracht. Gelingt es den Liebenden, das so zu verarbeiten, dass es sich nicht zwischen sie schiebt?

Ein Bekannter hat einmal in einer Münchner Bar gelauscht, wie ein Bauer mit großen Augen die Traumgestalt der Stripteasetänzerin betrachtete und dann seufzend das Fazit zog: „Do sieht ma erst, wos ma für a Klumperts dahoam hot!“ Und ich weiß von einem Automechaniker, der seine in die Brüche gehende Ehe gerettet hat, indem er die in der Werkstatt üblichen Pin-ups von den Wänden entfernt hat.

Wie viel Erotik es also im öffentlichen Raum geben darf, darauf weiß ich auch keine Antwort: Sex gehört zur Welt, ist ein Teil ihrer Schönheit. Aber weil nicht alles gut ist, was geil ist, sollten wir über diese Fragen mehr nachdenken und weniger so tun, als wäre es verklemmt, darüber zu reden.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.comdiepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2013)

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