Between Styria and Syria

Österreich gilt als gemütlich observierte Hochburg des Jihad-Tourismus. Zehn tschetschenische Gotteskrieger könnten das ändern.

Nachdem zehn mutmaßliche Jihadisten tschetschenischer Herkunft in Kärnten festgenommen wurden, hat Heinz-Christian Strache ihre sofortige Abschiebung verlangt. Dankenswerterweise hat man amtlicherseits diese Anregung nicht aufgegriffen. Sonst hätten sich wohl die strafrechtlichen Ermittlungen gegen diese Leute etwas schwierig gestaltet.

Interessanter ist da schon Straches zweite Forderung, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) solle alle 30.000 in Österreich lebenden Tschetschenen „überprüfen“. Wäre das nicht ein Euphemismus für „nach Hause schicken“, wäre etwas dran. Es ist nun einmal viel wahrscheinlicher, bei den Exiltschetschenen Jihad-Sympathisanten aufzuspüren als zum Beispiel bei Exilkoreanern. Andererseits sind in diesem Zusammenhang Pauschalverdachte kontraproduktiv.

Was macht denn besonders anfällig für eine Radikalisierung? Die Experten sagen: Traumatisierung zu Hause – und Perspektivenlosigkeit. Und was sind typische Gründe, einem Flüchtling Asyl zu gewähren? Traumatisierung zu Hause – und Perspektivenlosigkeit. Genau die Leute brauchen also Asyl, die für Radikalisierung anfälliger sind. Das ist die Natur der Sache, und wer damit nicht leben kann, darf halt nur verfolgte Friedensnobelpreisträger aufnehmen. Aber wenn man Traumatisierung und Perspektivenlosigkeit einer Gruppe noch vertiefen möchte, stellt man sie am besten unter Generalverdacht. Die Radikalisierer danken.

Freilich: Auch Integration und bessere Perspektiven können nicht verhindern, dass eine winzige Minderheit auf die schiefe Bahn gerät. Da muss Überwachung und Strafvollzug schon sein. Aber da ist manches sonderbar: Von 130 Gotteskriegern aus Österreich weiß die Innenministerin. Von denen seien rund 45 schon wieder zurück, denen der kürzlich erschienene Verfassungsschutzbericht 2014 besondere Gefährlichkeit bescheinigt. Wie sieht also deren Strafverfolgung aus (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung etc.)? Der Bericht listet auf: bis dato eine Verurteilung. Und ein Verdächtiger in Untersuchungshaft.

Immerhin lese ich im Bericht, dass ein „weiterer wesentlicher Punkt der Arbeiten des BVT die Unterstützung bei der Einrichtung einer Anlauf- bzw. Koordinationsstelle zur Prävention von Radikalisierung und Rekrutierung“ ist. Die Verhaftung der zehn Jihadisten nährt meine Hoffnung, dass „Unterstützung bei der Einrichtung“ nicht nur heißt, dass man mit zum Möbel Lutz geht, um die Schreibtische auszusuchen. Den Ruf des BVT nach mehr Kompetenzen und Mitteln kann ich jedenfalls nachvollziehen.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.