Tiefebene des Pograpschens

Angeblich stehen intelligentere Männer mehr auf den Po als auf den Busen. Rund um die Strafbarkeit des Grapschens triumphiert aber eher die Dummheit.

Soll das Pograpschen strafbar werden? Die vom Justizminister vorgelegte Strafrechtsreform hat etwa den Team-Stronach-Abgeordneten Marcus Franz zum Outing bewogen, dass seine Ehe mit einem Griff zum Gesäß ihre Anbahnung gefunden hätte und daher ein Verbot unangebracht sei.

Lange vor Franz haben sich schon die Höchstrichter blamiert. Gefühlt ist das Pograpschen ja schon längst Straftatbestand. §218 Abs. 1 sagt: Wer jemanden durch „eine geschlechtliche Handlung belästigt“ fasst bis zu einem halben Jahr aus. Aber laut dem Obersten Gerichtshof ist „geschlechtlich“ nur die Berührung der Genitalien und der weiblichen Brust. Der Griff an den Hintern gehört also ebenso nicht dazu wie etwa das Abschlecken eines Ohres. Was weltfremder Unsinn ist, noch dazu, wo der OGH selbst luzide festgestellt hat, dass §218 sich gegen „unzumutbare sozialstörende Rechtsgutbeeinträchtigung im Intimbereich“ wendet. Dass das Hinterteil nicht zum Intimbereich gehören soll, erinnert an die Argumentation einer Altherrenpartie, die gern die anatomischen Vorzüge der Kellnerin manuell unterstreicht. So etwas, haha, muss doch erlaubt sein? Ich hoffe, die Richter haben zu ihrer Verteidigung mehr zu sagen als nur, dass man das schon immer so gesehen hat.

Womit wir bei Marcus Franz sind, der geradezu verheerend das Thema verfehlt hat. Nach den Erzählungen des Ehepaars Franz war man sich bei einem Rendezvous nähergekommen, als der junge Mann beherzt die Initiative ergriff. Das war ja gerade nicht die Belästigungssituation, die dem Gesetzgeber vorschwebt. Aber nun können sich die echten Übergriffstäter, die sich gern einreden, die Frauen stehen ja insgeheim auf so etwas, auch auf einen Parlamentarier ausreden. Es braucht keine Bagatellisierung, sondern das Zeichen, dass Übergriffe in die Intimsphäre nicht hingenommen werden. Man kann freilich darüber streiten, ob das im Strafgesetzbuch festgelegt sein muss. Schon gar durch die vage Hinzufügung „eine nach Art und Intensität vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung“. Was die Höchstrichter da wieder alles judizieren werden?

Meine Frau etwa ist für Selbstjustiz: Dem Grapscher eine Ohrfeige zu geben muss schon erlaubt sein. Aber ich bin ausnahmsweise für das Strafen. Da es eigentlich ja schon jetzt – vernünftigere Judikatur vorausgesetzt – strafbar ist. Und da sonst die Schüchternen auf der Strecke bleiben. Und da es gut ist, wenn in unserer immer exhibitionistischeren und distanzloseren Kultur ein Wert besonders gestärkt wird: die Achtung vor dem Schamgefühl anderer.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2015)

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