Der katholische Kulturkampf um die Ehe

Ist der katholische Kulturkampf gegen die "Totengräber der Ehe" (Pius XI.) in Zeiten von Franziskus passé? Oder wird er nur mit anderen Mitteln fortgesetzt?

Kaum etwas zeigt die besondere Kombination von Wandel und Beständigkeit der katholischen Kirche besser als der Bogen der päpstlichen Ehe-Lehrschreiben, der mit „Arcanum divinae sapientiae“ von Leo XIII. 1880 beginnt und mit dem am Freitag veröffentlichten „Amoris laetitia“ von Papst Franziskus endet. Leo XIII. führte die Kirche in den Kampf gegen die aufkommende Zivilehe und das Scheidungsrecht: Die Ehe sei heilig und der Kirche anvertraut. „Der Feind“ wolle aber den Staat zur Ehe-Autorität machen und die Ehescheidung einführen, was „vielfaches Unheil nicht bloß über die Familien, sondern auch über den Staat“ brächte.

Und durch „die Macht des schlechten Beispiels“ dringe „das Verlangen nach Ehescheidungen mit jedem Tag in weitere Kreise und ergreift die große Menge wie ein seine Dämme durchbrechender Strom“. Im Kampf gegen diese Entwicklung war klar, dass ein Katholik, der die Auflösung seiner doch unauflöslichen Ehe mit einer Wiederverheiratung manifest macht, nicht bloß eine private Sünde begeht, sondern öffentlich der Kirche in ihrem Kampf in den Rücken fällt. Pius XI. hält 1930 in „Casti Conubii“ den Kampfaufruf gegen die „heutigen Umstürzler der Gesellschaftsordnung“ aufrecht. Bischöfe, Priester und die Katholische Aktion müssten „dem Irrtum die Wahrheit, der verwerflichen Leichtigkeit der Ehescheidung die ewige Dauer echter Gattenliebe und den bis zum Tod unverletzt gewahrten Treueid entgegenhalten“.

Drei Generationen später ist der christliche Staat passé und jede „Wiederherstellung der rechten Ordnung“ (Pius XI.) in weite Ferne gerückt. So wird auch die Wiederverheiratung eines geschiedenen Katholiken nicht mehr als ein Im-Stich-lassen der Kirche im Kulturkampf wahrgenommen, und man kann darüber reden wie über jede andere Übertretung der Gebote Gottes auch. In „Amoris laetitia“ von Papst Franziskus ist das zur Sache der Seelsorge allein geworden.

Aber: Der Einsatz für die unauflösliche Ehe ist nicht vorbei. Das Konzil und Johannes Paul II. hatten das Problem nur bereits nicht mehr in äußeren Feinden, sondern in der Haltung des Einzelnen geortet. Johannes Pauls Antwort war „fortgesetzte Bekehrung“, die „auf die Strukturen der Gesellschaft Einfluss haben“ werde („Familiaris Consortio“, 1981). Franziskus führt das fort: Er bekräftigt jeden Punkt der Ehelehre der Kirche. Aber er setzt auf Anziehungskraft – darauf, dass die Gläubigen mit ihrem „Zeugnis der Liebe“ die christliche Ehe wieder verständlich und attraktiv machen. Auch das nimmt wieder jeden verheirateten Katholiken ganz gehörig in die Pflicht.


Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2016)

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