Frohes Opferfest!

Kann der Islam Teil einer christlich geprägten Nation sein – oder nur ihr Gast? Darüber streitet Frankreich, anhand eines nationalen muslimischen Feiertags.

Der renommierte linke Pariser Think Tank Terra Nova hat vorgeschlagen, die gesetzlichen Feiertage Ostermontag und Pfingstmontag durch das muslimische Opferfest und das jüdische Jom Kippur zu ersetzen. In Frankreich ist Wahlkampf, und man kann sich vorstellen, dass die Reaktionen noch reflexhafter ausfallen als bei ähnlichen Vorschlägen 2003, 2012 und 2015.

Dabei ist die Frage dahinter wert, dass man sich ihr stellt. Es ist die alte Frage, die jede Adrenalin-Unterversorgung zu heilen imstande ist: Gehört der Islam zu uns? Welche Rolle spielt die historische Prägung einer Nation? Und wie viel Gemeinsamkeit braucht eine Nation?

Den Autoren der Studie geht es ja nicht darum, den Christen zwei freie Tage wegzunehmen und anderen Religionen zu geben. Jeder Franzose, ob Christ, Hindu oder Atheist, hätte nachher genauso viele Feiertage wie vorher (und drei davon wären immer noch christlichen Ursprungs). Es geht ihnen auch nicht darum, dass jeder Mensch seinen religiösen Feierpflichten nachkommen kann. Dafür sorgt schon das Arbeits- und Schulrecht.

Es geht ihnen darum, dass das Opferfest für ganz Frankreich und jeden Franzosen ein Feiertag sein soll. So wie etwa Maria Himmelfahrt für jeden Franzosen ein Feiertag ist. Denn „wir leben in einer religiös pluralistischen Gesellschaft, und dem sollten wir Ausdruck verleihen“. Eben indem die ganze Republik an einem Tag im Jahr mit dem muslimischen Teil ihrer Bürger mitfeiert. Die Autoren sehen das als wichtigen Teil des Programms an, den sie als Titel für ihre Studie genommen haben: „Die Emanzipation des Islam in Frankreich“.

Es ist spannend, dass im laizistischen Frankreich die angedachte Veränderung religiöser Feiertage so intensive Emotionen zur Identität der Nation auslöst. Die Frontlinien sind wie bei uns: Die einen wollen Emanzipation, weil die Muslime Teil des Volkes sind und sich die nationale Identität nicht nur aus der Vergangenheit, sondern eben auch aus der Gegenwart bildet. Die anderen wollen nur Assimilation zulassen, weil sie sonst am Ende keine nationale Identität mehr sehen, sondern nur noch ein Sammelsurium von Partikularidentitäten.

Weil eine friedliche Zukunft sowohl Emanzipation wie Assimilation braucht, scheint da die Vorsicht der offiziellen muslimischen (und jüdischen) Verbände vernünftig, die eine Nationalisierung ihrer Feiertage zum gegenwärtigen Zeitpunkt ablehnen. Irgendwie ist die Idee, dass die Leute den Islam leichter akzeptieren, wenn ihnen der Staat einen muslimischen Feiertag aufs Aug drückt, ja typisch französisch – aber sehr gescheit ist sie nicht.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2017)

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