Teufelszeug

Ein interessanter Konflikt von Religion und Heilkunde geht durch die britischen Medien: Darf ein Arzt Patienten die Heilung durch Christus empfehlen?

Der praktische Arzt und praktizierende Anglikaner Richard Scott protestiert gegen eine Verwarnung durch den Regulator GMC und spricht von einer Diskriminierung als Christ. Er hatte am 4. August 2010 in der Ordination einen 24-Jährigen, dem er bereits zwei Tage davor eine Überweisung zum Psychiater ausgestellt hatte. Der Doktor schneidet das Thema Glaube an, wie er es aus einer ganzheitlichen Sicht der Heilkunde oft tut. Am 14. August beschwert sich die Mutter von „Patient A“ beim GMC: Der Arzt habe ihm seine eigenen religiösen Auffassungen aufgedrängt, seine nichtchristliche Religion herabgesetzt und erklärt, Christus könne ihn heilen.

Elf Wochen nach dem Arztbesuch schickt Patient A ein Gedächtnisprotokoll an den GMC. Vier Monate danach teilt der GMC dem Arzt die Vorwürfe mit und droht mit einer Verwarnung, die im Wiederholungsfall Berufsverbot bewirken kann. Der Arzt verteidigt sich: Er kenne die Bestimmungen, wonach er mit seinen eigenen religiösen Überzeugungen niemanden in Bedrängnis (distress) bringen darf. Er hätte das Gespräch aber sofort beendet, wäre das der Fall gewesen. Die mündliche Anhörung hat nun stattgefunden – gute 22 Monate post festum. Fazit: Verwarnung an Dr. Scott, nicht weil er über Religiöses geredet habe, sondern weil er das in unzulässiger Weise getan habe.

Es ging dabei um eine Reihe von Aussagen, die der Doktor zum Teil erfolglos bestritt, vor allem: Das Christentum könne Patient A mehr geben als seine eigene Religion, nämlich Heilung durch Christus. Auch den in den Medien am meisten zitierten Satz: „Der Teufel verfolgt die, die sich nicht zu Jesus bekehren und ihm ihr Leid übergeben“ hat die Jury als echt angesehen, weil Scott zugegeben habe, dass das Wort „Teufel“ gefallen sei.

Die Sache hat zwei Aspekte. Zum einen ist der Arzt wohl wirklich zu weit gegangen. Ein Gespräch über Religiöses muss erlaubt sein. Aber es gibt Grenzen. Wenn ich zum Berufsberater gehe, will ich ja auch nicht hören, dass ich beten soll, damit Gott mir meine Zukunft weist.

Aber ich denke, auch die medizinische Qualitätskontrolle hat ihre Grenzen. Dass vage Gesprächsdetails über Gott und den Teufel über die berufliche Zukunft eines Arztes entscheiden können, scheint mir bedenklich. Ob diese Behandlung – wie Dr. Ross behauptet – nur christlichen Ärzten widerfährt und nicht etwa Moslems oder Reiki-Anhängern, kann ich nicht beurteilen, man müsste das empirisch nachprüfen. Aber insgesamt gibt es da einen beunruhigenden Trend, der nicht nur Christen betrifft. Wir behandeln ihn nächste Woche zur selben Zeit in dieser Ordination.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2012)

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