Fasching

Schon erstaunlich, wie im Fasching jede humoristische Evolution stehen geblieben ist. Objekte des Spotts: Frauen, Schwule, Piefke.

Wenn ich auf das Klischee der deutschen Humorlosigkeit angesprochen werde, verweise ich gern auf meine Herkunft. Schließlich stamme ich aus einer Region, in der sich der Karneval zur orgiastisch inszenierten rheinischen Frohnatur verdichtet hat. Ich tue das aber stets mit halber Überzeugung, denn wer unser närrisches Treiben als Beweis für die Existenz von Humor deutet, der muss Lachmuskeln in Körperregionen ausgebildet haben, wo sonst eher die Organe der Verdauung und der Fortpflanzung am Werk sind.

Den Entschluss, in diesen Tagen zu verreisen, habe ich einst gefasst, als ich noch lange nach dem Aschermittwoch unter schlimmem Ohrwurmbefall litt. Den Narren war die Schunkelei zu blöd geworden, was Neues musste her: die Polonaise. Da kamen dann singende Menschenschlangen aus allen Kneipentüren, die Hände auf den Schultern von Vordermann oder Vorderfrau und begleitet von einem Lied, das damals aus allen Lautsprechern tönte. Den Wurm im Ohr hatte mir eine Liedzeile verpasst, die mit dem Kunstgriff des dann doch nicht eintretenden Endreims spielt: „Wir ziehen los, mit ganz großen Schritten, und Erwin fasst der Heidi von hinten an die – Schulter.“

Am vergangenen Wochenende hab ich es gewagt und mir die hiesige Faschingssendung „Narrisch guat“ angesehen. Dabei ist mir bewusst geworden, dass es zwischen Deutschen und Österreichern offenbar eine Verbrüderung im Zeichen des Lalllauts gibt: Leilei, Helau, Alaaf. Doch die größte Überraschung war, dass in Sachen humoristischer Evolution die Zeit stehen geblieben ist. Es waren die gleichen Witze wie in meiner Kindheit. Der einzige Unterschied war, dass sich zu den üblichen verspotteten Gruppen wie Frauen oder Schwulen noch eine weitere gesellte: Deutsche.

Die Frau kam so zum Handkuss: Ein Mann kommt besoffen nach Hause und trifft auf seine Gattin, die wahlweise ein Besen, eine Oide, eine Schachtel und auf jeden Fall eine Spielverderberin ist. Für die Schwulen reichte ein wenig feminines Gehampel. Und meine Landsleute dienten zu subtilen Wortspielchen, die von der Klangähnlichkeit von „Sach mal“ und „Soach mal“ zehrten.

Wenn es einen Ort gibt, in der das geronnene Ressentiment jedem Zeitgeist trotzt, dann ist es der Faschingsfestsaal. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis hier eine Frau im Öl ihren stubenhockenden schiachen Haberer verspottet und bis ein Deutscher fäkale Verse über öde Ösis schmiedet.

dietmar.krug@diepresse.com

diepresse.com/diesedeutschen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2014)

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