Von Deutschland, Österreich und der Integration

Zwischen Lindau und Bregenz gibt es einen besonderen Austausch. Von Deutschland, Österreich und der Integration.

Das mit Deutschland ist ja auch so eine Geschichte, was soll ich dir sagen. Bevor ich nach Wien gezogen bin, habe ich gar nicht gewusst, dass mit Deutschland auch ein starres Feindbild daherkommt, mich hat das damals sogar ziemlich erschrocken. Wir guten Menschen in Vorarlberg sind mit einem freundlichen Deutschlandbild aufgewachsen, man ist ja benachbart, und gute Nachbarn stehen einander bei. Mit der Schweiz ist es auch so, nur dass die Eidgenossen zu unserem Leidwesen nicht mehr wollen als eine platonische Beziehung, aber das ist wieder eine andere Geschichte zum Weinen.

Als Jugendliche sind wir jedenfalls immer nach Lindau hinübergefahren, weil wir fanden, dass es dort mehr Cafés, mehr Läden und mehr Clubs gab als bei uns im stinköden Bregenz. Interessanterweise hat das bayerische Jugendvolk genau dasselbe gedacht, und so konntest du jeden Sonntagmorgen auf den Bregenzer Parkbänken die deutsche Jugend schnarchen hören und rund um den Lindauer Bahnhof die Vorarlberger Teenagerleichen zusammenklauben. Wir haben also immer schon zum internationalen Alkoholaustausch beigetragen, quasi Erasmus ohne Uni.

Nicht wenige meiner Schulfreunde sind – wie ich übrigens auch – zum Studium nach Deutschland gezogen. Manche sind noch immer dort, du würdest jetzt sagen: Stockholm-Syndrom. Was ich aber in den Jahren an der deutschen Grenze bzw. in Deutschland gelernt habe, ist: Tatsächlich funktionieren dort einige Dinge besser als in Österreich. Es gibt eine angenehme Diskussionskultur auf politischer Ebene, einen sachlichen öffentlichen Diskurs zu vielen Themen, oft gibt es dort viel Pragmatik, wo bei uns Pathos, Tränen und Verzweiflung herrschen, jetzt mal spitz gesagt.

Einem Argument, das immer wieder vorgebracht wird, kann ich aber nicht ganz zustimmen: Deutschland als Vorbild bei der Integration. Mag sein, dass politische Maßnahmen dort früher gegriffen haben und – viel wichtiger – dass die öffentliche Debatte über Migration und Integration auf einer ernsten und emotionslosen Ebene geführt wird. In Deutschland hat Rassismus weniger Chance, heißt es oft in diesem Zusammenhang. Als ob dort keine Asylheime oder Moscheen verbrannt würden, es keine NSU-Morde gegeben habe, keine Schwarzen oder Türken auf offener Straße angefeindet, ja, verprügelt würden, als ob es in Deutschland keine Spannungen zwischen „alten“ und „neuen“ Einwohnern gäbe.

WLAN. In Deutschland hat sich mir gegenüber nie jemand abschätzig über Österreich geäußert. Ich glaube, sie wissen, dass bei uns halt so viele Dinge doch besser funktionieren. Finde mir mal zwischen München und Hamburg einen öffentlichen Ort mit Gratis-WLAN. Und einen DB-Zug, der nachweisbar pünktlich an einem Bahnhof angekommen ist.

duygu.oezkan@diepresse.com

diepresse.com/diesetuerken

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2014)

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