Die Berliner Verkehrsbetriebe haben eine neue Kampagne

Von der frechen deutschen Hauptstadt und von einem komischen Hund.

Du kennst doch diese Hunde, die recht unharmonisch dreinschauen, so kleine, faltige Wesen mit kurzen Beinchen und zerdepschter Schnauze. Oft haben sie ein vorstehendes Gebiss und hecheln wild durch die Gegend, als würden sie seit der Geburt filterlose Zigaretten rauchen. Diese Hunde – englische Bulldoggen – und ich haben eine bisher von beiden Seiten penibel eingehaltene Abmachung: Wir gehen einander aus dem Weg. Wir haben nämlich großen Respekt voreinander. Na gut, hier ist die Wahrheit: Ich habe dezente Angst, und den Hund kümmert das herzlich wenig.

Jedenfalls ist ein Exemplar dieser Hunderasse sehr oft in der Berlin-Kreuzberger Oranienstraße zu finden. Er spaziert dort in der Gegend herum, hechelt sein Hecheln, legt sich mitten auf die Straße und möchte dabei von Passanten und Autos bitte nicht gestört werden. Insgesamt scheint dieses Tier ganz eins mit dem Universum zu sein, so eine Ruhe hat es in sich. Als ich also neulich vor einem türkischen Lokal in der Oranienstraße sitze, kommt ebendieser Hund zu mir, schnüffelt herum, legt sich vor meine Füße auf den Fußgängerweg, vergräbt den Kopf in seine Pfoten und gibt sich dem Nihilismus hin. „Wem gehört dieser Hund?“, frage ich die Kellnerin auf Türkisch. „Uns allen“, sagt sie freudig. „Der ist ganz schön hässlich“, sage ich. „Kscht!“, schimpft sie mich aus, „er versteht Türkisch!“

Ja, was soll ich sagen? So ist nun einmal das Leben in Berlin, die Haustiere sind multilingual, und insgesamt sind alle Lebewesen frech. Ich bin frech, die Kellnerin ist frech, der Hund ist frech, es liegt hier ein universelles Frechsein in der Luft. Besonders frech sind derzeit aber die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Mit ihrer neuen Social-Media-Kampagne #WeilWirDichLieben antworten sie auf die meist grantigen Tweets der Benutzer bissig (und recht unterhaltsam) zurück. Das sieht dann ungefähr so aus (unvollständige Wiedergabe):
User: Wenn, dann fährt dir die U-Bahn auch wirklich ganztags vor der Nase weg.
BVG: Am Wochenende fahren wir dir sogar nachts vor der Nase weg.
User: Können wir die U12 nicht für immer behalten? Von Xberg (Kreuzberg, Anm.) direkt zur TU zu fahren ist einfach orgastisch!
BVG: Leider nur bis November. Also beeil dich besser mit dem Studium.
User: Sieben Fahrräder in einem Wagen der U-Bahn – ist draußen Winter oder Gewitter?
BVG: Draußen ist es anstrengend.
User: Es gibt ununterbrochen Ziehharmonikagedudel [...] In welchem Musikantenstadel bin ich gelandet? #U2
BVG: Erwartest du in einer Linie, die U2 heißt, ernsthaft gute Musik?
User: Die U6 riecht wie 'ne Raucherkneipe.
BVG: Immerhin besser als wenn die Kneipen nach U6 riechen.

Ich kann aus persönlicher Erfahrung sagen, dass die Wiener Linien doch besser funktionieren. Da haben es die BVG unverhältnismäßig schwerer:
User: Josh Telson, 32, Berlin. Hobbys: Waiting for the M41.
BVG: BVG, 86, Berlin. Hobbys: Apologizing.

duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.