Die Live-Präsentationen der ORF-Kandidaten lenken nicht von den Absprachen mit der Politik ab.
Nun steht es fest: Der ORF wird die in zwei Wochen anstehende Wahl des Generaldirektors eine Spur transparenter als bisher gestalten. Auf ORF III werden am Vorabend der (geheimen) Abstimmung über den ORF-Chef die Präsentationen der Kandidaten übertragen (Mo, 8. August, 18 Uhr). Dass der Stiftungsrat dies so gefordert hat, sorgte unter den Mitarbeitern am Küniglberg für Naserümpfen. Die Idee war ja nicht schlecht, aber der Aufsichtsrat der Rundfunkanstalt hat sich eigentlich nicht in das Programm einzumischen.
Maß und Ziel verlieren im Vorfeld dieser politischen „Wahl“ einige. Da erklärt der vom Land Salzburg entsandte (schwarze) Stiftungsrat in einem Interview, dass der aktuelle (rote) Landesdirektor abzubestellen sei. Und bestätigt auf Nachfrage, ja, er sei ständig im Gespräch mit dem ÖVP-Landeshauptmann und den Kandidaten für das Amt des Generaldirektors, wer neuer Landesdirektor werden soll. Er sagt dabei Sätze wie „Wir wünschen uns . . .“ oder „Wir nehmen sicher niemanden, der . . .“ Er vergisst aber: Die 35 Stiftungsräte bestellen die Direktoren, aber sie machen sich nicht eigenmächtig auf die Suche nach den Kandidaten. Dass solche Vorgänge nicht einmal mehr für einen Miniatur-Shitstorm sorgen, ist Indiz dafür, wie sehr man sich an die Verquickung von Politik und ORF gewöhnt hat.
Freilich, die Kandidaten, Alexander Wrabetz und Richard Grasl, ärgern sich beide über öffentliche Schulterklopfer aus den Parteibüros. Besser ist da schon, wenn ihnen ehemalige ORF-Direktoren oder der Betriebsrat in Interviews die richtigen Pässe zuschießen. Der amtierende Chef, Wrabetz, nimmt den Zweikampf, der es wohl bleiben wird, etwas weniger sportlich als sein Herausforderer, Grasl. Noch vor dem Ende der Bewerbungsfrist am kommenden Donnerstag werfen beide mit schillerndsten Einzelheiten ihrer Bewerbungen um sich. Wrabetz will den ORF zum Social-Media-Haus machen, Grasl noch einen weiteren Spartensender, eine Art Servus ORF TV mit rein österreichischen Inhalten schon 2017 entstehen lassen. Grasl will die Technikdirektion auflösen und stattdessen das Radio stärken, was im ORF viele (außer den Technikmitarbeitern) für fortschrittlich halten, Wrabetz daran festhalten, um eben diese Techniker nicht zu vergraulen. Der eine will eine eigene Info-Direktion (Grasl), der andere die Information an sich reißen (Wrabetz), beide den schwächelnden Sender ORF eins neu aufstellen. All das werden sie nun dem Gebührenzahler live präsentieren.
Wählen werden tags darauf aber andere.
E-Mails an: anna.wallner@diepresse.com
(Print-Ausgabe, 23.07.2016)