Teure dünne Göttin

Bei den New Yorker Prestige-Auktionen für Impressionismus und Moderne zeigte sich einmal mehr, wie hoch der Druck im High-End-Markt ist.

In New York haben diese Woche die großen Prestige-Auktionen begonnen. Den Auftakt machen traditionell Impressionismus und Moderne, die ihre Stärke unter Beweis gestellt haben. In den letzten Jahren führte dieser Bereich zu Unrecht ein Schattendasein gegenüber der Nachkriegskunst und den Zeitgenossen. Sotheby's schrieb die erfolgreichste Auktion seiner Geschichte. Innerhalb eines Abends wurden 422 Millionen Dollar umgesetzt, Rivale Christie's realisierte 165,6 Millionen Dollar.

Strategiewechsel. Interessant ist der offensichtliche Strategiewechsel, den die Häuser fahren. Hatte Sotheby's viele Jahre auf „weniger, dafür hochkarätig“ gesetzt, packte der Kunsthändler diesmal 73 Lose in die Auktion. Konkurrent Christie's, der früher gerne mit einem großen Angebot an den Start ging, schickte nur 39 Lose ins Rennen, mit dem Resultat einer 90-prozentigen Verkaufsquote. Bei Sotheby's blieben 15 Werke unverkauft, das entspricht einer Quote von 79 Prozent. Auffallend ist, dass Sotheby's, um das Volumen zu erhöhen, einige Werke in der Abendauktion anbot, die bisher nur der weniger prestigeträchtigen Day Sales würdig waren. Ein Beispiel ist die Bronzeskulptur „Herakles, Archer“ von Emile Antoine Bourdelle, die 365.000 Dollar erzielte. Dieselbe Arbeit wurde 2011 im Day Sale für 314.500 Dollar verkauft. Die Idee dahinter ist, neue Künstler im High-End-Markt zu etablieren, weil sie im Day Sale von Topkäufern nicht beachtet werden.

Wie sehr der Markt sich immer höher lizitiert, zeigen auch die Schätzpreise und die Ergebnispräsentation. Das Toplos bei Sotheby's war die Skulptur „Chariot“ von Alberto Giacometti, die für fast 101 Millionen Dollar den Besitzer wechselte. Es war mit einer Taxe von mehr als 100 Millionen das am höchsten geschätzte Kunstwerk der diesjährigen Herbst-Auktionen. Das Auktionshaus spekulierte wohl auf einen neuen Rekord, der aber nicht erzielt werden konnte und immer noch beim „Schreitenden I“ mit 104,3 Millionen Dollar liegt, ebenfalls versteigert von Sotheby's im Jahr 2010. Diese Preise verstehen sich inklusive Aufgeld. Das Aufgeld ist die Verkaufsprovision, die der Käufer zusätzlich zum Zuschlag an das Auktionshaus zu bezahlen hat und von Haus zu Haus verschieden ist. Der Hammerpreis liegt bei 90 Millionen Dollar für „Chariot“ und bei 92 Millionen Dollar für den „Schreitenden I“. Früher gaben die Auktionshäuser nur die Hammerpreise bekannt, weil nur diese einen Vergleich ermöglichen. Und auch die Schätzungen beziehen sich eigentlich auf den Zuschlag. Im Fall „Chariot“ würde das also bedeuten, dass die dünne Göttin auf ihrem großrädrigen Karren unter den Erwartungen geblieben ist. Um auf dem Markt noch einen Wow-Effekt erzielen zu können, muss aber wohl die Latte von 100 Millionen Dollar übersprungen werden.

eva.komarek@wirtschaftsblatt.at

diepresse.com/kunstwerte

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2014)

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