Gott sei Dank ist kein Gott im Bus

„Es gibt wahrscheinlich keinen Gott“, steht auf britischen Bussen. Na dann.

Schade, dass es in Wien keine Doppeldecker mehr gibt! Dass kein zweistöckiger 13A mehr durch die Schluchten der Josefstadt poltert, kein Kingsize-35A durch Neustift talwärts braust!

Nur solche großformatigen Busse böten die richtigen Rahmen für die große Botschaft, die die „British Humanist Association“ nun auf Londoner Autobussen affichiert hat: „There's probably no God. Now stop worrying and enjoy your life.“

Mir missfällt daran die gouvernantenhafte Aufforderung, das Leben zu genießen, dergleichen stimmt mich sauertöpfisch. Dafür gefällt mir das Wort „probably“, das naturwissenschaftlich gesinnten Menschen gut zu Gesicht steht, die sich doch nicht wirklich festlegen wollen. Welcher Wahrscheinlichkeit entspricht „probably“? 0,75? Oder 0,95? 0,99 gar?

Betrachten wir eine entsprechende rein säkulare Aussage, z.B. „In diesem Bus wird Ihr Fahrschein wahrscheinlich nicht kontrolliert“. Wenn man genug Zeit aufwendet, kann man das Wort „wahrscheinlich“ durch eine Serie von Beobachtungen genauer spezifizieren: Man fährt, sagen wir, 1000 Mal mit dem Bus. Wenn man dabei 15 Mal einem Kontrollor begegnet, dann kann man die Wahrscheinlichkeit, dass man nicht kontrolliert wird, einfach ausrechnen: Anzahl der günstigen Ereignisse dividiert durch Anzahl aller möglichen Ereignisse, also (1000-15):1000=0,985.

Eine vergleichbare Versuchsanordnung für die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes ist kaum realisierbar. Die Menschen können nur glauben, und da unterscheiden sie sich beträchtlich voneinander.

Richard Dawkins, Biologe und bekennender Gottseibeiuns der Theisten, definiert in seinem Buch „Der Gotteswahn“ sieben Kategorien: 1) stark theistisch: Gotteswahrscheinlichkeit (GW) 100%; 2) de facto theistisch: GW knapp unter 100%; 3) agnostisch mit Neigung zum Theismus: GW „höher als 50%, aber nicht besonders hoch“; 4) völlig unparteiischer Agnostizismus: GW „genau 50%“; 5) agnostisch mit Neigung zum Atheismus: GW „unter 50%, aber nicht sehr niedrig“; 6) de facto atheistisch: GW „knapp über null“; 7) stark atheistisch: GW=0.


Dawkins selbst rechnet sich „zur Kategorie 6 mit starker Neigung zu 7“, das hilft den Kleingläubigen resp. Kleinungläubigen, die zwischen „nicht besonders hoch“ und „nicht sehr niedrig“ schwanken, aber auch nicht weiter. Daher ein bescheidener Vorschlag zur weiteren Quantifizierung des Problems: Wenn man schon Gott eine Wahrscheinlichkeit zuordnet, dann könnte man diese ja im Sinn der Quantenmechanik als Integral (über den gesamten Raum) des Quadrats einer Wellenfunktion sehen. Was den Vorteil hätte, dass die Wellenfunktion nicht überall im Universum gleich groß sein muss. Es gäbe damit die Möglichkeit, unterschiedlichen Regionen des Universums unterschiedliche Gotteswahrscheinlichkeiten zuzuordnen!

Mir schwebt ein glücklicher Dawkins vor, der vor einem der von der „British Humanist Association“ durch Beschriftung ausgezeichneten Busse steht und auf den schüchternen Einwand eines Wankelmütigen (Kategorie 3 bis 5), dass ja doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehe, dass ein Gott existiere, mit Festigkeit antwortet:

„In diesem Bus nicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.