140 Zeichen für IS, Ebola oder Kontakte mit Außerirdischen

Aktionisten kennen es längst als Randerscheinung. Nun hat der deutsche Außenminister Steinmeier sein erstes Interview auf Twitter gegeben.

Das misogyne Popsternchen Robin Thicke tat es, dem rührigen Rudolf Fußi ist es jederzeit wieder zuzutrauen – warum also nicht auch Frank-Walter Steinmeier?

Der deutsche Außenminister hat als erster Repräsentant seiner Koalitionsregierung ein Twitter-Interview gegeben. Unter #FragSteinmeier stellte er sich so entlegenen Themen wie der Türkei, Ebola, dem drohenden Islamischen Staat (IS) in Syrien und Irak oder dem längst bestehenden in Saudiarabien, der das Köpfen ebenfalls über alle Maßen schätzt. Für eine halbe Stunde gab es über den Account des Auswärtigen Amtes (AA) recht prägnante Antworten und noch kürzere Ausweichmanöver. Still blieb er, als es um die Avancen der Ukraine für einen Beitritt zu NATO oder EU ging. Wahrscheinlich ein Server-Fehler.

Sozialen Surfern im Gegengift hat dieser Vorstoß Steinmeiers jedenfalls imponiert. Wer kennt schon einen Politiker, der bereit ist, sich auf 140 Zeichen zu beschränken? Selbst lakonisch veranlagte Menschen bringen in solch einem Format kaum mehr als drei Sätze unter. Ein gewöhnlicher Politiker hat sich nach so wenigen Worten noch nicht einmal bei den Wählern entschuldigt, geschweige denn behauptet, man solle ihn ausreden lassen. Steinmeier aber erwiderte zum Beispiel auf die wesentliche Frage, ob das AA schon „Erstkontakt mit Außerirdischen“ habe, in einem Satz alles, was wir Erdlinge wissen müssen oder auch nur dürfen: „Wir bauen schon am Beamer.“ Fünf schlanke Worte.

Können Sie sich vorstellen, dass sich unsere Regierungsexperten, die seit fast 200 Jahren an einer Verwaltungsreform scheitern, verbal derart zurückhalten? In 95 Prozent der Fälle beginnen der Bundeskanzler und seine treuesten Minister ihre Antworten mit: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Familie Dichand, teurer Herr Fellner, ich möchte mich zuallererst dafür bedanken, dass ich zu Ihnen kommen durfte und werde mich jetzt ganz kurz fassen...“ Für Twitter nicht tauglich. Da müsste schon einer mit dem einsilbigen Namen Kurz ran, um sich Steinmeiers Kunst der Beschränkung anzunähern.

Schaun wir mal! Dieweil bleibt ein Traum, was uns maßvolles Twittern politisch ersparen würde. Man könnte vielleicht manchen EU-Gipfel durch simultane Tweet-Konferenzen ersetzen. Etwa so: @DraghiMario: „Hey, Deutschland, I want the Cash. Subito!“ @RegSprecher: „No! Njet! Nein!“ Frau Merkel hätte nämlich das Zeug zu einer superfixen Twitter-Queen.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2014)

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