Der 2. Mai bietet einen Schutzpatron gegen Kopfschmerzen

Zu viel Feierstimmung am Beginn des Wonnemonats? Die Ernüchterung folgt auf dem Fuß, mit dem Namenstag des Vaters der Orthodoxie.

Den 1. Mai haben die neoliberalen Kräfte im Gegengift wie gewöhnlich an ihrem Arbeitsplatz verbracht. Irgendwer muss doch auf die Weltlage in Wien aufpassen, außerdem gibt es bei uns null Bock auf ein Baumaufstellen samt Starkbier, nicht einmal die revolutionären Aufmärsche der Arbeiterklasse vor ihren überarbeiteten Tribunen sind diesmal drin, die auf dem Land durch ausgelassene Almauftriebe ergänzt werden.

Der Mai täuscht Bewegung vor, sogar die kleinsten Glöckchen und Nelken verhalten sich triebhaft, Kirschblüten lassen sich enthemmt fallen. Der Slogan der Saison lautet: „Aktion.“ Sie wird je nach Naturell ausgelebt. Die eine zündet in der City Autos an, der andere widmet sich in der freien Natur der Unzucht und kann sich dabei auf die altitalische Göttin Maia berufen, deren Opfertier eine trächtige Bache ist. Maja hieß auch eine heiße, von Zeus beglückte griechische Nymphe, vielleicht stammt die Dame sogar aus Indien. Allein ihr Name, den Spießer von „Altvorderen“ ableiten (maiores), verspricht mehr – eine Steigerung von „magnus“, eine Verwandte der Magie. Alle wollen jetzt einfach alles.

Der wunderschöne Monat scheint tatsächlich die zauberhafte Zeit noch junger Möglichkeiten zu sein, er eröffnet sich in durchtanzter Walpurgisnacht oder beginnt fromm mit dem Besuch einer Maiandacht. Ganz Brave lauschen wackeren Reden der Volksvertreter, um mit ihnen schließlich ins „Lied der Arbeit“ einzustimmen.

Wie so vieles Gute (Scheibenwischer, Crashtest-Dummy, Kaugummi, E-Gitarre und selbst der Spritzbeton) wurde der Labor Day in den USA erfunden, 1882 im Kampf der Gewerkschaften um den Achtstundentag. Die erste Demonstration samt Picknick mit beachtlichen 50.000 Teilnehmern fand allerdings am 5. September statt. Später setzte sich der 1. Mai durch, den Beschluss fasste die Sozialistische Internationale 1889 in Paris. Karl Marx war da bereits sechs Jahre tot, ein Opfer des windigen Monats März.

Der 1. Mai ist ein stolzer Tag. Was aber bleibt an Ruhm für den 2. Mai, der seit Äonen dem stolzen Vorgänger den Vortritt lässt? Auch der Folgetag hat Tugenden. Auf Josef den Arbeiter folgt im Heiligenkalender Athanasius der Große. Dieser Bischof von Alexandria aus dem vierten Jahrhundert gilt als Säule der Kirche und Vater der Orthodoxie, weil er entschlossen den Irrglauben des Arianismus bekämpfte. Berühmt ist sein Werk „Gegen die Heiden“. Athanasius hätte wohl kein tolles Maifest zugelassen, weder auf dem Blocksberg noch auf Rathausplätzen. Er gilt als Schutzpatron gegen Kopfschmerzen – das scheint eine angemessene Gabe für den 2. Mai zu sein.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2015)

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