Hautfarbe, Religion: Besessen von Identität

Wenn nur „echte“ Farbige in Hollywood Farbige spielen dürfen, wie ist es mit Dicken? Oder mit Muslimen?

„Whitewashing“ wirft man dem Peter-Pan-Film „Pan“ vor, der heute in Österreich anläuft – weil die „Weiße“ Rooney Mara das Indianermädchen Tiger Lily spielt. Haben sie recht, die fast 100.000 Unterzeichner der Petition: „Stop Casting White Actors to Play People of Color!“? Wenn ja: War es recht, Pierre Brice den Winnetou spielen zu lassen? War es überhaupt recht, Karl Mays Wildwestgeschichten zu verfilmen? Und durfte der schottische Schöpfer des Peter Pan, James Matthew Barrie, über eine Indianerin schreiben?

Schauspieler sind nicht ihre Rolle, sie interpretieren, wie Regisseure und Autoren. Manche Bürgerrechtler postulierten einst, nur Schwarze dürften über Schwarze schreiben, alles andere sei kolonialistisch, sei es noch so engagiert und wohlwollend. So hat man kürzlich auch die amerikanische Kulturwissenschaftlerin Rachel Dolezal attackiert, weil sie sich selbst als „Schwarze“ definiert; das stehe ihr nicht zu, sie habe keine unterdrückten Vorfahren. Schwarze, Weiße, egal, wie man die Farbe bewertet, stets geschieht hier, was man so lang bekämpft hat: Identität über die Hautfarbe zu definieren.

„Blackfacing“ nennt man die alte Praxis, Weiße mit gefärbtem Gesicht Farbige spielen zu lassen – in meist lächerlichen Rollen. Wenn aber, unabhängig von der Darstellung einer Figur, generell nur „echte“ Indianer Indianer spielen sollen, und „echte“ Afroamerikaner Afroamerikaner – sollen dann nicht auch Dicke nur von Dicken gespielt werden? Sie werden ebenfalls oft diskriminiert, und auch ihr Dicksein ist oft naturgegeben, nicht das Ergebnis von „Faulheit“ und „Sich-gehen-Lassen“, wie überhebliche Fitness-Fanatiker gern meinen. Ist es dann nicht auch diskriminierend für sie, wenn sich ein Schauspieler mit sonst bester Figur für eine Rolle ein paar Kilos anisst oder sich den Bauch ausstaffiert – statt dass ein „echter“ Dicker die Rolle spielt?

Oder was ist mit Muslimen, sollen nur sie Muslime spielen? Was ist überhaupt „ein Muslim“? Der in Ägypten geborene, seit Jahrzehnten in Deutschland lebende Publizist Hamed Abdel-Samad, der vor Kurzem das Buch „Mohammed. Eine Abrechnung“ veröffentlicht hat, definiert sich nicht über den Glauben (der auch seine Privatsache sein sollte). Dennoch wird er in Medien unbekümmert als „Muslim“ definiert. Warum, ist klar: Es wirkt berechtigter und pikanter, wenn ein „Muslim“ den Islam und „die Muslime“ kritisiert.

Keine Identitäts-Obsession kann durch eine andere beseitigt werden, kein Rassismus durch „positiven Rassismus“ – und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten schafft man sicher nicht durch Rassenquoten in Hollywood aus der Welt.

anne-catherine.simon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2015)

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