Letzte Dankesworte, von Bud Spencer bis Brahms und Busoni

„Merci, Monsieur“, sagte Mata Hari, bevor sie starb, „Grazie“ sagte Bud Spencer: Das letzte Danke kann alles Mögliche bedeuten.

„Nicht die Glücklichen sind dankbar, es sind die Dankbaren, die glücklich sind“, sagte der englische Philosoph Francis Bacon. Ich (aber-)glaube ja, dass man diese glücklichen Dankbaren oft auf den ersten Blick erkennt, an ihrem Blick. Filmstar Bud Spencer jedenfalls, finde ich, sah wie ein Angehöriger dieser Spezies aus; aber möglicherweise finde ich das erst, seit ich erfahren habe, dass Spencers an seine Familie gerichtetes letztes Wort vor seinem Tod „Grazie“ war.

Viele Berühmtheiten haben als letztes Wort Danke gesagt, etwa der Komponist Ferruccio Busoni zu seiner Frau („für jeden Tag, den wir zusammen waren“). Manchen scheint es allerdings eher passiert zu sein, Brahms zum Beispiel sagte „O, das schmeckt gut. Danke!“ zu seiner Krankenschwester, die ihm Wein zu trinken gab, ganz wie Yukichi Chuganji, der 2003 als damals ältester Mann der Welt das Zeitliche segnete: „Danke, er war gut“ (der Apfelsaft).

Menschen wissen ja in den seltensten Fällen beim Aussprechen ihres letzten Wortes, dass es ihr letztes ist – zumindest wenn sie eines natürlichen Todes sterben. Der 1794 guillotinierte Robespierre und die 1917 hingerichtete Tänzerin und Spionin Mata Hari sagten „Merci, Monsieur“; er, als man ihm ein Tuch wegen seiner Schusswunde gab, sie, als der Offizier des Exekutionskommandos ihr noch zum Pudern einen Spiegel reichte. Vielleicht war das gedankenlose Höflichkeit, vielleicht aber auch trotzige Selbstbehauptung mit der Botschaft: Seht her, ich behalte meine Würde und Haltung bis zuletzt!

Welten liegen jedenfalls auch bei Sterbenden zwischen der automatisierten Höflichkeitsformel, die Kindern gern als Zauberwort verkauft wird, und dem wirklichen Zauberwort, dem umfassend gemeinten Danke. Im lateinischen Wort dafür, gratia, schwingt das unverdient Geschenkte, die Gnade mit, im deutschen Danke das Denken: Man behält etwas – das Geschenkte – beziehungsweise jemanden – den Geber – in Gedanken. In gewissen Sprachen gibt es gar kein Danke, etwa in jenen gewisser Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften, in denen es kein Eigentum gibt und Teilen selbstverständliche Pflicht ist. Auch die für die TV-Serie „Game of Thrones“ kreierte Sprache des rauen Dothraki-Volks kennt kein Danke. Was nicht heißt, dass die Sprecher keine Dankbarkeit kennen – auch ein Wort oder eine Geste der Freude drückt Ähnliches aus.

Für Cicero war Dankbarkeit die Mutter aller Tugenden, bei uns hat das Christentum sie in den Himmel gehoben. Psychologen haben auch hier die Priester abgelöst, für sie zählt das (innerliche) Dankesagen zu den effizientesten Glücklichmachern. Solche brauchen Sterbende nicht mehr, wer am Lebensende Danke sagen kann, ist trotzdem beneidenswert: Denn er konnte es wohl vorher schon gut.

anne-catherine.simon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.