Mitterrand liebte anders als Donald Trump – auch besser?

Die große, große Liebe des großen, großen Präsidenten zur kleinen Frau: In Frankreich erscheinen Liebesbriefe von François Mitterrand.

Nachdem die Welt erfahren hat, was Donald Trump vor elf Jahren über Frauen gesagt hat, erfährt sie nun, was François Mitterrand im Lauf seines Lebens seiner langjährigen Geliebten geschrieben hat.

Man könnte meinen, die eine Art der Rede hätte mit der anderen gar nichts zu tun. Immerhin scheinen die über tausend Briefe des französischen Senators und dann Staatspräsidenten an seine mehr als ein Vierteljahrhundert jüngere Geliebte Anne Pingeot, die am Donnerstag im Gallimard-Verlag erscheinen, himmelweit von primitiven sexistischen Aperçus des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten entfernt. Sie sind im hohen, ja im höchsten romantischen Register gehalten, das es in der Sprache der Liebe geben kann. In diesen über tausend Briefen, von Anfang bis zum Ende (durch Mitterrands Tod 1996), 33 Jahre lang, geht es um die ewige, die allergrößte vorstellbare Liebe.

„Nur der Tod kann mich Ihnen entreißen“, heißt es da in den ersten Jahren, vom „Besitz, der mich verbrennt aus allen Feuern der Welt“, ist die Rede. Anne sei „meine Insel, meine Erde, mein Gut, mein Hafen, mein Friede“. Und noch kurz vor seinem Tod durch eine Krebserkrankung schreibt Mitterrand, die Krankheit könne ihm „nichts wegnehmen; weder Gefühle, Leidenschaft noch Schmerzen oder die Hoffnung, die mich an dich bindet“. Und im letzten Brief, wenige Monate vor seinem Tod: „Mein Glück ist es, an dich zu denken und dich zu lieben . . . Du warst das Glück meines Lebens: Wie soll ich dich nicht noch mehr lieben?“

So viele Liebesbriefe sind wohl noch von keinem wichtigen Staatsmann veröffentlicht worden, schon gar nicht mit so literarischem Anspruch. Vom Preis der darin beschworenen Romantik freilich erzählen die Briefe so gut wie nichts. Kein Wunder auch, denn diesen Preis zahlte vor allem die besungene Geliebte. Anne Pingeot war 19, als sie mit dem damals 46-jährigen Mitterrand zusammenkam; er blieb bei seiner Ehefrau, hatte noch weitere heimliche Geliebte. Anne musste die Beziehung geheim halten, ihre gemeinsame Tochter den Vater in der Öffentlichkeit verleugnen.

Umso schmerzhafter fehlt hier ihre Stimme. Pingeot, die Konservatorin im Louvre und eine wichtige Kunsthistorikerin ist, hat zwar anlässlich des 100. Geburtstags Mitterrands am 26. Oktober seine Briefe zur Veröffentlichung freigegeben, doch nur ein paar wenige eigene dazugegeben. Über ihr Privatleben hat sie öffentlich kaum etwas preisgegeben – schon gar keine Klage: „Den Menschen, den man liebt, zu bewundern, ist ein ungeheures Glück“, sagte sie einmal; dass sie ein „starkes Leben voller Glück und Unglück" gehabt habe – denn es sei „sehr hart“ gewesen. Dass sie als Tochter aus gutbürgerlichem katholischen Hause sich als „Sünderin“ gefühlt habe und dies durch ein vorbildhaftes Leben gemäß den traditionellen Werten wettzumachen versucht habe. Sie habe auch nie, weder vor noch nach Mitterrand, einen anderen Mann gehabt.

Soll man das ergreifend finden, oder nur traurig? Auch Dominique Strauss-Kahn wollte einst französischer Präsident werden – eine Hotelnacht, in der er angeblich eine Angestellte zum Sex zwang, machte ihn als Präsident unmöglich. Vielleicht war er aber nur zu wenig subtil. Die Liebesgeschichte Mitterrands ist voller schöner, sicher ernst gemeinter Worte. Aber, wie Arthur Schnitzler im Stück "Stunde des Erkennens" seine gedemütigte Ehefrau Klara sagen lässt: „Worte lügen.“ Die schönsten oft am meisten.

anne-catherine.simon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2016)

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