Wie viele Halbtöne braucht ein edler Dreiklang?

Die Zeiten der Diktatur der Dissonanz sind um. Nun muss jeder Hörer für sich die Spreu vom Weizen trennen.

Die sogenannte Neue Musik ist weitaus vielfältiger, als Gerüchte besagen. Mittlerweile haben sich Musikfreunde längst daran gewöhnt, von Ur- und Erstaufführungen auch „angenehm überrascht“ zu werden. Die unumschränkte Herrschaft der Dissonanz ist über der „neuen Einfachheit“ zerbrochen.

Jedenfalls verkünden nicht mehr Vordenker der Marke Theodor Adorno ex cathedra, was ein Komponist dürfe und was er zu unterlassen habe. In diesem Sinne ist nun Neugier das Gebot der Stunde. Unter dem, was die erlangte Freiheit möglich macht, ist die Spreu vom Weizen zu trennen. Da kann nur jeder für sich selbst entscheiden. Gusto und Ohrfeigen ...

Gelegenheit zur Kontrolle bietet heute, Montag, im Off Theater in der Wiener Kirchengassse das Ensemble Konvergenzen. Es verspricht, „die heiteren Seiten der zeitgenössischen E-Musik“ auszuloten. Doppelt unsicheres Terrain, denn seit Schubert wissen wir ja, dass es „lustige Musik“ überhaupt nicht geben kann. Und was sorgt für Heiterkeit?

Jedenfalls werden auch ungewöhnliche Klangfarbmischungen und harmonische Konstellationen ausgekundschaftet, denn die stilistische Vielfalt reicht von „tonal bis mikrotonal.“ Unter den Komponisten finden sich neben Gernot Schedlberger und Gerald Schwertberger, Nancy van de Vate, Andreas Wykydal und Pavel Singer auch Ulf-Diether Soyka, der sich über Jahre hin mit sogenannter ekmelischer Musik beschäftigt hat.

Müsste man kurz erklären, was das ist, könnte man sagen: Was uns seit Einführung der sogenannten „temperierten“ Stimmung die zwölf Töne der Oktav sind, sind für den Ekmeliker 72 Töne, mittels derer sich allerhand ziemlich schräge Harmonien erzielen lassen, aber auch solche, die für das noch nicht zwölftonig verbildete Ohr reiner klingen als ein Dur-Dreiklang auf dem Klavier!

Man kann dergleichen daher auch als spannendes Hör-Training begreifen und sich darauf einlassen wie auf eine akustische Rätselrallye. Um 19.30 Uhr geht's los (1070, Kirchengasse 41).

E-Mails an:wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2015)

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