Tristans Schweigen spricht Bände: Lasst uns das Bühnenleben!

Was man aus einer Festspiel-Inszenierung lernen kann, wenn man schon wenig bis nichts über das gespielte Stück erfährt.

Des Schweigens Herrin heißt mich schweigen. Fass ich, was sie verschwieg, verschweig ich, was sie nicht fasst.“

So lautet einer der essenziellen Sätze, die Wagners Tristan seiner Isolde – und dem Publikum – zumutet. Wer den tiefen Gehalt der verrätselten Aussage zu fassen versucht, versteht Tristans Schweigen als zentrales Motiv der inneren Handlung des Musikdramas. Erst durch das Bewusstsein, den Tod getrunken zu haben, fallen alle Schranken von Konvention, Sitte und Moral.

Über derlei Dinge könnte man mit der Urenkelin des Komponisten diskutieren, wollte man nachweisen, dass ihre Inszenierung, die Tristans und Isoldes Liebe von Anbeginn offen zur Schau stellt, am eigentlichen Thema vorbeigeht. Wie auch Anspielungen auf andere Varianten der Tristan-Legende so wenig zum Verständnis des Musikdramas beitragen wie die Entzauberung des „Liebestod“-Finales.

Allein: Der Versuch, die Geschichte einer unmöglichen Liebe durchgängig verständlich zu erzählen, würde uns immerhin instand setzen, die Diskussion überhaupt zu führen.

Zuletzt waren in Bayreuth ja nur Selbstbeweihräucherungen von Theatermachern zu erleben, die zunächst sich selbst und dann – vielleicht – auch die Stücke reflektieren, die auf dem Theaterzettel stehen.

Über so viel Eitelkeit und Sinnentleerung wird demnächst das Genre Oper sterben. Das bestreiten lediglich Theaterleiter, die unter dem Druck des Feuilletons nicht zugeben wollen, dass sie ihre (so überhaupt noch vorhanden) guten Auslastungen niemals Regisseuren, sondern immer nur exzellenten Sängerbesetzungen oder Dirigenten verdanken.

Die Bayreuther Festspiele geben das beste Beispiel. Längst ist man hier nicht mehr, wie früher gewohnt, siebenfach überbucht. Und das liegt gewiss nicht an musikalischen Fehlleistungen, sondern an den Herren Marthaler, Castorf und Konsorten. Vielleicht markiert Katharina Wagners Arbeit ja den Beginn einer Trendwende. Es wäre hoch an der Zeit. Nicht nur in Bayreuth.

E-Mails an:wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2015)

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