Wo selbst die überall so genannte Neue Musik alt ausschaut

Angeblich bieten Wiens Konzertveranstalter Jahr für Jahr immer das Gleiche. Die Wahrheit ist: Man arbeitet mit durchaus originellen Mitteln.

Sage keiner, das sei alles immer dasselbe. Ein Blick auf die Wiener Konzertszene in den vergangenen Tagen lehrt, dass hier mit viel Grips und viel Witz an einer ziemlich frischen Form der Vermittlung der sogenannten Klassik gearbeitet wird. Wobei man als Zwischentöner ohne schlechtes Gewissen von Klassik spricht, auch wenn man anderes als Haydn, Mozart oder Beethoven meint.

Bartók zum Beispiel, dessen Schaffen ja, wenn es nach dem findigen Intendanten des Wiener Klangforums, Sven Hartberger, geht, schon zur Alten Musik gehört. Wir erinnern uns: Früher einmal nahmen Plattenproduzenten sogar Bach in diese Rubrik; heute reihen wir vielleicht Léonin und Pérotin dort ein – aber natürlich tut das Klangforum recht daran, wenn es an die Zeiten erinnert, in denen „die Neue Musik erfunden“ wurde.

Da gehört dann Bartóks „Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug“, die gestern im Schubert-Saal zu hören war (über die Konzerte des Festivals wird gesondert zu berichten sein), unbedingt dazu. Und natürlich auch die Ballettmusik zum „holzgeschnitzten Prinzen“, die von den Wiener Symphonikern am selben Vormittag im Großen Saal unter Philippe Jordan klangprächtig musiziert wurde.

Sie erklang auch freitags „at seven“, im Rahmen eines seit dem Vorjahr geübten Brauchs: ein oder zwei Stücke, wie gewohnt, im Großen Saal, dann ein Happening mit ausgewählten Künstlern bei Brot und Wein im Konzerthaus-Foyer. Da wird man gewahr, dass Wien über ein Jugendstil-Juwel von einer Konzerthalle verfügt – und dass das Wiener Publikum neuen Vermittlungsideen gegenüber höchst aufgeschlossen ist.

Apropos neu und anders: Auch im Musikverein setzt man Star-Konzerte längst nicht mehr nur in gedankenloser Reihe aufs Programm, sondern bemüht sich ums Besondere. Dass der erwähnte Philippe Jordan in seiner Eigenschaft als Pianist gestern Abend auch die große Renée Fleming bei ihrem Liederabend begleitet hat, gehört ebenso hierher wie die Tatsache, dass, wenn Anna Netrebko die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss singt, nicht irgendwer, sondern Christian Thielemann am Dirigentenpult steht (9. Juni). Und wenn Jonas Kaufmann als Solist in Mahlers „Lied von der Erde“ angesetzt ist, er nicht nur die drei Tenor-Lieder, sondern gleich auch noch die für Alt oder Bariton vorgesehenen Sätze mit übernimmt (21. Juni). Der Vorverkauf für die genannten Abende beginnt in Kürze . . .

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2016)

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