Die Echos der alten Opernwelt

Zum Nostalgischwerden: Ein Italiener singt Arien – und Berislav Klobucar bekommt einen Orden.

Nichts ist, wie es war. Und manches erneuert sich, scheint's, doch aus der Tradition. So erstaunlich die Nachricht sein mag, dass beim diesjährigen „Belvedere-Wettbewerb“ die Chinesin Yitian Luan den Operetten-Preis errang, so anheimelnd tönt dem Opernfreund die Meldung, dass mit dem 24-jährigen Antonio Poli wieder einmal ein Italiener mit einer italienischen Arie den Sieg im Opernfach davontrug. Ein italienischer Tenor aus Italien!

Echos von scheinbar endgültig Vergangenem provozieren oft Fragen, die naheliegend scheinen, und die doch in Wahrheit falsch gestellt sind: Warum, begehrt der Interessent zu wissen, redet man über Probenmangel an großen Opernhäusern, wenn eine allseits bejubelte, wirklich große Aufführung von Wagners „Parsifal“, wie sie zum Ausklang der Ära Holender an der Staatsoper stattfand, ohne Orchesterprobe möglich ist?

Herbert von Karajan gab einst – nicht „die“, aber eine Antwort darauf: Den „Troubadour“ müssen sie probieren, sagte er, die „Walküre“ geht auch von allein. „Von allein“, wenn ein Orchester wie das unsere das Werk in- und auswendig kennt, und wenn ein Dirigent (wie diesmal Franz Welser-Möst) agiert, der mit wenigen Gesten eine Aufführung nach seinem Willen zu gestalten vermag. Bindet er die Sänger harmonisch ein, dann kann ihm eine ganz spezielle Wiedergabe eines Meisterwerks glücken.

Wir haben das erlebt, als Welser-Möst einspringenderweise vier Tage nach Christian Thielemann eine ganz andere, aber ebenso überzeugende „Tristan“-Wiedergabe an der Staatsoper realisierte – was letztendlich zur Bestellung des Oberösterreichers zum neuen „Generalmusikdirektor“ geführt hat.

„Generalmusikdirektor“! Was das Kapellmeisterhandwerk ausmacht, weiß das Publikum des 21.Jahrhunderts in Wahrheit nur noch vom Hörensagen. Früher war es selbstverständlich, dass einem Haus vom Rang der Staatsoper ein Dirigent vorstand, der imstande war, jede wichtige Oper des Repertoires „aus dem Stand“ zu dirigieren – bis zu Herbert von Karajan reichte eine Reihe, deren bedeutendste, bis heute berühmte Vertreter Gustav Mahler, Richard Strauss, Clemens Krauss oder Karl Böhm hießen.

Neben dirigierenden Chefs gab es auch einige erstklassiger Dirigierhandwerker. Einen davon hat Kulturministerin Claudia Schmied soeben mit dem Großen Silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik dekoriert: Berislav Klobucar (85) hat jahrzehntelang Positionen wie die des Grazer Opernchefs oder des Direktors der Oper von Nizza bekleidet. Er war auch „Hofkapellmeister“ – in Stockholm. Vor allem aber kennt ihn das Publikum als einen Mann, der mehr als 50 verschiedene Opern in der Staatsopern dirigiert hat. Er kam auf über 1000, genau: 1133 Vorstellungen. Das bedeutet: so viel wie vier Spielzeiten, Tag für Tag! Oder anders im großen Opern-Einmaleins, ein Fünftel der Endlos-Ära Holender...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2010)

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